Zusammenfassung
Die pflegerische Versorgung von Patient:innen unter ECMO-Therapie (extrakorporale Membranoxygenierung) umfasst die Überwachung des Patientenzustands und des extrakorporalen Systems sowie die Durchführung spezifischer therapeutischer und präventiver Maßnahmen.
Ein zentraler Aspekt ist die kontinuierliche stündliche Überwachung, um die physiologische Stabilität der Patient:innen zu gewährleisten und Abweichungen frühzeitig zu identifizieren. Das Komplikationsmanagement ist für die Pflege von besonderer Relevanz. Es beinhaltet u.a. das Gerinnungsmanagement, bei dem die systemische Antikoagulation zur Prävention von Thromben im System einer engmaschigen Kontrolle auf Blutungsereignisse gegenübersteht. Ebenso wichtig ist die konsequente Infektionsprävention, da die invasiven Kanülen ein hohes Infektionsrisiko darstellen.
Zusätzlich sind grundlegende pflegerische Maßnahmen wie Positionierungen (inkl. 135°-Positionierung), Hautpflege und Frühmobilisation integrale Bestandteile der Behandlung. Die Maßnahmen dienen der Prävention von Sekundärkomplikationen und tragen zur Verbesserung des Langzeit-Outcomes bei. Die sichere Durchführung dieser Interventionen erfordert eine präzise Koordination im interdisziplinären Team.
Funktionsweise
Allgemein
- Grundprinzip: Extrakorporale Unterstützung der Herz- bzw. Lungenfunktion durch
- Entnahme des Blutes in den extrakorporalen Kreislauf über großlumige Kanülen
- Aktiven Bluttransport mittels Pumpe
-
Gasaustausch in einem externen Oxygenator
- Oxygenierung des Blutes durch Zufuhr von Sauerstoff
- CO2-Elimination durch Zufuhr eines Spülgases
- Erwärmung des Blutes auf Körpertemperatur mittels Wärmetauscher
- Rückführung des Blutes in den Kreislauf der Patient:innen
- Systemkomponenten
- Kanülen: Großlumige Zugänge zur Blutentnahme und -rückgabe
- Pumpe: Zentrifugalpumpe zur Erzeugung des Blutflusses
- Oxygenator: Membran zur Diffusion von O2 ins Blut und CO2 aus dem Blut
- Wärmetauscher: Integriertes System zur Temperaturregulation des Blutes
- Blender: Gerät zur exakten Mischung von Sauerstoff und Druckluft für den Oxygenator
Formen
- Veno-venöse ECMO (vvECMO)
- Ziel: Reine Lungenunterstützung
- Indikationen, bspw.
- Schweres ARDS mit Hypoxämie
- Ggf. Hyperkapnie mit schwerer respiratorischer Azidose (pH <7,2)
- Kanülierung
- Entnahme: Meist V. femoralis
- Rückgabe: Meist V. jugularis interna rechts
- Alternative: Doppellumen-Kanüle über die V. jugularis
- Ablauf: Oxygeniertes Blut mischt sich im rechten Vorhof mit dem venösen Blut der Patient:innen → Wird vom Herzen durch die Lunge gepumpt
- Veno-arterielle ECMO (vaECMO)
- Ziel: Kombinierte Lungen- und Herzunterstützung
- Indikationen, bspw.
- Kanülierung
- Entnahme: Venös (bspw. V. femoralis)
- Rückgabe: Arteriell (bspw. Aorta ascendens, A. femoralis, A. subclavia)
- Ablauf: System übernimmt einen Teil des Herzzeitvolumens und pumpt oxygeniertes Blut in den arteriellen Kreislauf
Überwachung und Dokumentation
Patient:innen
- Hämodynamik
- Herzfrequenz und Rhythmus
- Invasiver arterieller Blutdruck
- Zentraler Venendruck (ZVD)
- Atmung
- Periphere Sauerstoffsättigung (spO2)
- Atemfrequenz
- Beatmungsparameter
- Neurologie
- Sedierungstiefe
- Vigilanz
- Pupillenkontrolle
- Perfusion und Haut
- Hautkolorit und -temperatur
- Rekapillarisierungszeit
- Ödembildung
- Periphere Pulse
- Körpertemperatur
- Flüssigkeitsbilanz
Gerät
- ECMO-Parameter
- Blutfluss (L/min)
- Pumpendrehzahl (U/min)
- Gasfluss (L/min)
- FiO2 am Blender (%)
- Drücke im System
- Druck vor dem Oxygenator (p-prä)
- Druck nach dem Oxygenator (p-post)
- Transmembrandruck (TMP)
- Venöser Ansaugdruck (p-ven)
- Arterieller Rückgabedruck (p-art)
- Systemkomponenten (Sichtkontrolle)
- Schlauchsystem
- Pumpenkopf
- Oxygenator
Labor
- Blutgasanalyse (BGA)
- Prä-Oxygenator (venös)
- Post-Oxygenator (oxygeniertes Blut im System)
- Arteriell (Patient:in)
- Gerinnungsparameter
- Activated Clotting Time (ACT)
- Partielle Thromboplastinzeit (PTT)
- Antithrombin III
- Fibrinogen
- Weitere Laborwerte
Dokumentation
- Alle Parameter 1×/h
- ECMO-Protokoll oder spezialisierte Kurve
- Erfassung von
- Alarmen
- Interventionen
- Systemwechsel
- Besonderen Vorkommnissen
Gerinnungs- und Infektionsprophylaxe
Gerinnungsprophylaxe
- Antikoagulation
- Kontinuierliche systemische Heparinisierung
- Ziel: Prävention von Thrombenbildung im extrakorporalen Kreislauf
- Gerinnungskontrollen
- Regelmäßige Kontrolle der Gerinnungsparameter nach festem Schema
- Bedside-Kontrolle der ACT (Activated Clotting Time)
- Laborchemische Kontrollen von PTT, Antithrombin III und Fibrinogen
- Blutungsrisiko
- Kontrolle potenzieller Blutungsquellen, bspw.
- Sichtbare Blutungen: Punktionsstellen, Wunden, Drainagen, Sonden (Magen, Blase)
- Organische Blutungen
- Gastrointestinal
- Intrakraniell
- Retroperitoneal
- Kontrolle potenzieller Blutungsquellen, bspw.
- Blutungsprävention
- Minimierung invasiver Prozeduren (bspw. Punktionen zur Blutentnahme)
- Vorsichtige Durchführung von Pflegemaßnahmen und Mobilisation
- Keine scharfen Gegenstände in Patientennähe
Bei auffälligen Blutungszeichen ist unverzüglich ärztliches Personal zu informieren!
Infektionsprävention
- Hygiene
- Händehygiene vor und nach jedem Patienten- und Systemkontakt
- Asepsis bei Manipulationen am ECMO-System (bspw. Blutentnahmen, Konnektionen)
- Aseptischer Umgang mit allen zentralen Gefäßzugängen
- Ventilationsassoziierte Pneumonie (VAP)-Prophylaxe
- Regelmäßige und sorgfältige Mundpflege, ggf. mit antiseptischen Lösungen
- Einsatz von Tuben mit subglottischer Absaugung bei längerer Beatmungsdauer
- Oberkörperhochlagerung von mind. 30°
- Endotracheales Absaugen nur bei Bedarf
- Umgebungshygiene
- Aufrechterhaltung einer sauberen Patientenumgebung
- Desinfektion von Oberflächen und Geräten
Patient:innen unter ECMO-Therapie sind hochgradig infektionsgefährdet!
Verbandswechsel und Hautpflege
Verbandswechsel
- Durchführung
- Frequenz: Täglich und bei Bedarf
- Technik: Unter sterilen Bedingungen
- Desinfektion: Hautdesinfektion um die Einstichstelle nach hausinternem Standard
- Inspektion der Punktionsstellen auf
- Infektionszeichen: Bspw. Rötung, Schwellung, Überwärmung, Sekretion
- Blutungen oder Hämatombildung
- Sicheren Sitz und Intaktheit der Fixierungsnähte
- Exakte Position der Kanülen
- Verbandsmaterial
- Verwendung transparenter, semipermeabler Verbände
- Ggf. zusätzliche Polsterung zur Druckentlastung unter der Kanüle oder den Schläuchen
- Spezielle Fixierungen für die ECMO-Schläuche nutzen
Hautpflege
- Hautinspektion
- Mind. 1×/Schicht Inspektion der gesamten Haut
- Kontrolle von
- Hautarealen unter Schläuchen
- Kanülenfixierungen
- Messsonden: Bspw. EKG-Elektroden und Pulsoxymeter
- Pflegerische Maßnahmen
Mobilisation und Positionierung
Positionierung
- Ziele
- Verbesserung der Oxygenierung
- Reduktion des beatmungsassoziierten Lungenschadens (VILI)
- Förderung der Sekretmobilisation und -drainage
- Dekubitusprophylaxe
- 135°-Positionierung
- Weitere Positionierungen
Frühmobilisation
- Ziele
- Prävention von Schwäche und Delir
- Erhalt der Muskelfunktion und Gelenkbeweglichkeit (bspw. Kontrakturenprophylaxe)
- Verbesserung der Lungenfunktion
- Unterstützung des Weanings
- Reduktion von Beatmungsdauer und Intensivaufenthalt
- Durchführung
- Beginn: Passive Bewegungsübungen aller Extremitäten
- Steigerung: Assistierte und/oder aktive Übungen im Bett
- Ziel
- Sitzen an der Bettkante
- Transfer in einen Stuhl
- In spezialisierten Zentren: Ggf. Stehen oder Gehen am Platz
- Sicherheitsaspekte
- Durchführung nur im interdisziplinären Team
- Kontinuierliche Überwachung von Hämodynamik, Oxygenierung, ECMO-Parametern
- Sicherung der ECMO-Kanülen gegen Dislokation oder Abknicken
- Klare Abbruchkriterien definieren
- Mobilisation an Zustand der Patient:innen anpassen
Bei jeder Positionierung oder Mobilisation muss immer eine Person die ECMO-Kanülen fixieren!
Komplikationen
Patientenbezogene Komplikationen
- Blutungen
- Ursachen: Systemische Antikoagulation, Thrombozytopenie, Verbrauchskoagulopathie
- Lokalisationen
- Kanülen-Einstichstellen und chirurgische Wunden
- Intrakraniell
- Intrapulmonal
- Gastrointestinal
- Thromboembolie
- Ursache: Thrombenbildung im extrakorporalen Kreislauf (bspw. im Oxygenator)
- Folgen
- Lungenembolie (bei vvECMO)
- Schlaganfall oder periphere arterielle Embolien (bei vaECMO)
- Extremitätenischämie
- Ursache: Femorale arterielle Kanülierung bei vaECMO
- Folgen
- Engmaschige Perfusionskontrolle der betroffenen Extremität
- Ggf. Anlage einer zusätzlichen distalen Perfusionskanüle notwendig
- Hämolyse
- Ursache: Mechanische Zerstörung der roten Blutkörperchen durch die Pumpe und das System
- Folge: Rot-braun gefärbter Urin
- Infektionen
- Ursachen: Invasive Zugänge und Immunsuppression
- Folgen, ggf.
- Kanülenassoziierte Infektionen
- Sepsis
Technik
- Kanülen
- Dislokation oder komplette Dekanülierung
- Abknicken der Schläuche oder Kanülen
- Ansaugen der Kanüle an die Gefäßwand („Chattering“)
- Gefäßperforation während der Anlage
- System
- Oxygenatorversagen
- Thrombosierung mit nachlassender Gasaustauschleistung
- Plasmaleak mit Austritt von Flüssigkeit aus dem Oxygenator
- Pumpenversagen
- Technischer Defekt oder Stromausfall
- Oxygenatorversagen
- Luftembolie
- Potenziell tödliche Komplikation durch Lufteintritt in den Kreislauf
Bei Auffälligkeiten und Komplikationen ist immer sofort ärztliches Personal sowie die Kardiotechnik zu informieren!