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Reizdarmsyndrom

Letzte Aktualisierung: 4.9.2025

Zusammenfassungtoggle arrow icon

Das Reizdarmsyndrom (engl. „irritable bowel syndrome“, IBS) ist ein sehr häufiges Krankheitsbild. Klinisch liegen unspezifische Veränderungen des Stuhlgangs (Diarrhö und/oder Obstipation) und abdominelle Beschwerden (diffuse Schmerzen, Druckgefühl) vor. Für die Diagnosestellung müssen die Symptome länger als drei Monate anhalten und zu einer relevanten Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Da das Reizdarmsyndrom eine Ausschlussdiagnose ist, müssen andere, insb. schwerwiegende Erkrankungen als Ursache zügig abgeklärt werden. Die Therapie richtet sich nach der individuellen Symptomausprägung und kann aus medikamentösen und/oder nicht-medikamentösen Maßnahmen bestehen.

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Epidemiologietoggle arrow icon

Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.

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Ätiologietoggle arrow icon

Die Ätiologie ist multifaktoriell und umfasst eine Interaktion von somatischen und psychosozialen Faktoren: [1]

  • (Epi‑)Genetik
  • Verändertes Darmmikrobiom
  • Antibiotikatherapie
  • Intestinale Entzündungen
  • Psychische Faktoren, insb. Stress
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Pathophysiologietoggle arrow icon

Die Pathophysiologie des Reizdarmsyndroms ist komplex und wird als Störung der Darm-Hirn-Achse verstanden. Zu den relevanten Faktoren zählen u.a.: [1]

  • Motilitätsstörungen
  • Veränderte intestinale Barrierefunktion
  • Viszerale Hypersensitivität
  • „low-grade“-Inflammation
  • Gestörter Gallensäuremetabolismus
  • Verminderte parasympathische Aktivität
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Symptomatiktoggle arrow icon

  • Diffuse Bauchschmerzen im gesamten Magen-Darm-Trakt möglich
  • Druck- und Völlegefühl nach den Mahlzeiten, Blähungen
  • Verändertes Stuhlverhalten: Obstipation, Diarrhö (ggf. mit Schleimbeimengungen) oder ein Wechsel zwischen beidem
  • Stuhldrang, Gefühl der unvollständigen Darmentleerung
  • Besserung des abdominellen Druck- und Völlegefühls nach Darmentleerung
  • Schafskotartige Stühle

Warnhinweise, die gegen das Reizdarmsyndrom sprechen, sind nächtliche Diarrhö, Fieber, Blut im Stuhl und Gewichtsverlust (siehe: Red Flags bei Durchfall)!

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Diagnostiktoggle arrow icon

Die Diagnose basiert auf einer sorgfältigen Anamnese mit Erfassung der typischen Reizdarmsymptomatik und dem gezielten, symptomabhängigen Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen des Reizdarmsyndroms. [1]

Obligate Basisdiagnostik [1]

Wenn diese Untersuchungen unauffällig sind, kann bei typischer Reizdarmsymptomatik ohne Diarrhö eine symptomatische Behandlung (max. 2 Monate) begonnen werden!

Red Flags bei Durchfall sind besonders zu beachten, da sie auf schwerwiegende Diagnosen hinweisen und eine schnellstmögliche Diagnostik und/oder Behandlung erfordern!

Erweiterte Diagnostik [1]

Je nach individueller Symptomausprägung:

Bei Diarrhö als Leitsymptom ist immer eine umfassende Abklärung einschließlich Erregerdiagnostik im Stuhl, Endoskopie (inkl. Stufenbiopsien) und funktionsdiagnostischer Untersuchungen indiziert!

Diagnosestellung [1]

  • Nach aktueller S3-Leitlinie: Alle folgenden Punkte müssen erfüllt sein
    1. Chronische, darmbezogene Beschwerden (bspw. Bauchschmerzen, Blähungen) >3 Monate, i.d.R. mit Stuhlgangsveränderungen
    2. Relevante Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die Symptome
    3. Keine charakteristischen Veränderungen anderer Krankheitsbilder, die die Symptomatik erklären könnten
  • Rom-IV-Kriterien
    • Symptombeginn vor >6 Monaten
    • Rezidivierende Bauchschmerzen (durchschnittlich mind. 1× wöchentlich innerhalb der letzten 3 Monate) plus
    • Mind. 2 der folgenden Kriterien
      • Zusammenhang zur Defäkation
      • Assoziiert mit veränderter Stuhlfrequenz
      • Assoziiert mit veränderter Stuhlkonsistenz/-form

Das Reizdarmsyndrom ist eine Ausschlussdiagnose! Insb. schwerwiegende Krankheiten müssen möglichst früh und sicher differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden!

Nach gesicherter Diagnose sollte eine erneute Diagnostik („Wiederholungsdiagnostik“) nur bei Auftauchen neuer Aspekte erfolgen, um Überdiagnostik zu vermeiden!

Einteilung nach Schweregrad

Schweregrade des Reizdarmsyndroms [1]
Leicht Mittel Schwer
Häufigkeit der Beschwerden
  • Gelegentlich
  • Häufig
  • Dauerhaft
Intensität der Beschwerden*
  • Gering
  • Mittel
  • Stark
Einschränkungen im Alltag**
  • Minimal
  • Deutlich
  • Ausgeprägt
Legende
  • * Beispiel: Schmerzintensität auf einer 11-Punkte-Skala (Leicht: 1–3; Mittel: 4–7; Schwer: 8–10)
  • ** Beispiel: Fehlzeiten in Schule/Beruf (Leicht: 0–5%; Mittel: 6–10%; Schwer: >10%)

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Differenzialdiagnosentoggle arrow icon

AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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Therapietoggle arrow icon

Allgemeines [1]

Die Therapieauswahl richtet sich nach der individuellen Symptomatik und besteht oft aus unterschiedlichen Maßnahmen (multimodale Behandlung).

  • Keine Standardtherapie verfügbar
    • Therapieauswahl entsprechend der individuellen Symptomausprägung
    • Jede Maßnahme als Therapieversuch betrachten
    • Bei Nicht-Ansprechen: Therapieversuch beenden
  • Psychoedukation, inkl. Aufklärung über
    • Echtheit der Beschwerden
    • Möglichkeiten der Beschwerdelinderung (bspw. Stressreduktion)
    • Normale Lebenserwartung (kein erhöhtes Risiko für andere somatische Erkrankungen)

Ernährung und Probiotika [1]

Nicht-medikamentöse Therapie [1]

Psychotherapie [1][3]

Indikation

Verfahren

  • Kognitive Verhaltenstherapie
    • Entwicklung eines individuellen Krankheitsmodells
      • Berücksichtigung der Rolle von
        • Interpretationen
        • Ängsten
        • Vermeidungsverhalten
        • Auslösenden Faktoren
      • Bezug zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Bauchschmerzen
    • Ggf. in Kombination mit Entspannungsverfahren
  • Psychodynamische Psychotherapie
    • Durchführung: Ausführliches Erstinterview gefolgt von 6–8 Einzelsitzungen über 12 Wochen
    • Grundannahme: Körperliche Beschwerden als Ausdruck einer Störung in bedeutsamen persönlichen Beziehungen
    • Methode: Nutzung von Darmsymptomen als Metapher für emotionalen Ausdruck
  • Hypnotherapie
    • Grundannahmen
      • Plausible und vertraute Zusammenhänge zwischen ZNS und Darmaktivität
      • In Trance: Autonome Körperreaktionen deutlicher wahrnehmbar und leichter beeinflussbar
    • Therapieablauf
      1. Herstellung einer wahrnehmbaren Verbindung zwischen Bewusstsein und Darm
      2. Anwendung spezifischer Suggestionen zur Beeinflussung der Darmtätigkeit
      3. Stärkung der Vorstellung einer wiederhergestellten, selbstständigen Verbindung zwischen Gehirn und Darm

Medikamentöse Therapie [1]

  • I.d.R. symptomorientiert
  • Ggf. kurzfristig Spasmolytika bei Schmerzen, bspw. Mebeverin oder Pfefferminzöl
  • Unterscheidung zwischen
Symptomorientierte Behandlung des Reizdarmsyndroms (Erwachsene) [1][4]
Hauptsymptom Gängige Substanzen (Auswahl) Substanzgruppe Anmerkungen
Bauchschmerzen/-krämpfe
  • Mebeverin
  • Spasmolytikum
  • Symptomübergreifend einsetzbar
  • Pfefferminzöl
  • Carmint
  • Padma Lax
  • Auch bei Blähungen einsetzbar
  • Pfefferminzöl: Schwaches Spasmolytikum
Durchfall
  • Peristaltikhemmer
  • Bei frühmorgendlichen Durchfällen: Prophylaktische Gabe am Vorabend sinnvoll
Obstipation
  • Als Dauertherapie einsetzbar
  • Keine allgemeingültige Empfehlung
  • Auch bei Diarrhö einsetzbar
  • Reservemittel (nur bei chronischer Obstipation zugelassen)
  • Lubiproston
  • Chloridkanal-Aktivator
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Kinder und Jugendlichetoggle arrow icon

Epidemiologie

Das Reizdarmsyndrom gehört, neben anderen funktionellen Störungen, zu den häufigsten chronischen Beschwerden im Kindes- und Jugendalter!

Ätiologie

Pathophysiologie

Symptomatik

Diagnostik

Diagnosestellung

  • Rom-IV-Kriterien des Reizdarmsyndroms im Kindes- und Jugendalter: Alle folgenden Punkte müssen erfüllt sein
    • Bauchschmerzen an ≥4 Tagen pro Monat
    • Assoziiert mit ≥1 der folgenden Merkmale
      • Zusammenhang mit der Defäkation
      • Veränderung der Stuhlfrequenz
      • Veränderung der Stuhlkonsistenz oder des Aussehens
    • Bei Kindern mit Obstipation: Schmerzen persistieren auch nach erfolgreicher Behandlung der Obstipation
    • Symptome nach Ausschluss anderer Erkrankungen nicht vollständig erklärbar
    • Kriterien müssen für mind. 2 Monate erfüllt sein

Differenzialdiagnosen

Therapie

Komplikationen

  • Deutlich eingeschränkte Lebensqualität der betroffenen Kinder
  • Häufige Fehlzeiten in der Schule
  • Erhöhtes Risiko für die Entwicklung weiterer somatischer Symptome (z.B. Kopfschmerzen) und psychischer Störungen (z.B. Angststörungen) im Langzeitverlauf
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Prognosetoggle arrow icon

  • Meist chronisch-rezidivierender Verlauf, teils auch spontan rückläufig
  • Reduzierte Lebensqualität
  • Erhöhtes Risiko für psychische Komorbiditäten (Angststörungen, Depressionen)
  • Keine erhöhte Mortalität
  • Keine erhöhte Koprävalenz mit anderen schweren GI-Erkrankungen
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Patienteninformationentoggle arrow icon

  • Reizdarmsyndrom von gesundheitsinformation.de
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025toggle arrow icon

  • K58.-: Reizdarmsyndrom
    • Inklusive: Colon irritabile, Irritables Kolon, Reizkolon
    • K58.0: Reizdarmsyndrom mit Diarrhoe
    • K58.9: Reizdarmsyndrom ohne Diarrhoe
      • Reizdarmsyndrom o.n.A.

Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.

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