Einleitung
Zusammen mit der HOMe-Academy der medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes und dem Ärzte-Team des Agaplesion-Markus Krankenhauses Frankfurt bietet AMBOSS einen Newsletter zu internistischen Studien und Publikationen an. Der Newsletter richtet sich insb. an alle interessierten Kolleginnen und Kollegen aus Klinik und Praxis, die neben der alltäglichen Praxis wichtige wissenschaftliche Entwicklungen im Blick behalten möchten. Unter Tipps & Links findest du den Link zur Anmeldung.
Im Folgenden werden ab dem Beginn der Newsletter-Versendung die Inhalte aller bisherigen Ausgaben im Jahr 2025 als Archiv zur Verfügung gestellt.
- Für die Studientelegramme des Jahres 2024 siehe: Studien-Telegramm-Archiv 2024
- Für die Studientelegramme des Jahres 2023 siehe: Studien-Telegramm-Archiv 2023
- Für die Studientelegramme des Jahres 2022 siehe: Studien-Telegramm-Archiv 2022
- Für die Studientelegramme des Jahres 2021 siehe: Studien-Telegramm-Archiv 2021
- Für die Studientelegramme des Jahres 2020 siehe: Studien-Telegramm-Archiv 2020
- Für die Studientelegramme des Jahres 2019 siehe: Studien-Telegramm-Archiv 2019
- Für die Studientelegramme des Jahres 2018 siehe: Studien-Telegramm-Archiv 2018
- Für die Studientelegramme des Jahres 2017 siehe: Studien-Telegramm-Archiv 2017
Archive weiterer AMBOSS-Studien-Telegramme
- DGIM-Studientelegramm Archiv (DGIM-Studientelegramm-Sonderausgaben zu Überversorgung)
- One-Minute Telegram Archiv (englischsprachiges Studientelegramm)
Wissenschaftliche Schirmherrschaft
Die Auswahl und Zusammenfassung der Studien und Publikationen findet in enger Zusammenarbeit mit der kardiovaskulären Studiengruppe HOMe statt.
Verantwortliche Ärztinnen und Ärzte:
Prof. Dr. med. Gunnar Heine (Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselerkrankungen und Gefäßerkrankungen, AGAPLESION MARKUS KRANKENHAUS Frankfurt a.M./Universität des Saarlandes), Prof. Dr. Dr. Stephan Schirmer (Kardiologie, Universität des Saarlandes/Kardiologische Praxis Kaiserslautern), Prof. Dr. Dr. Sören Becker (Infektionserkrankungen und Tropenmedizin, Universität des Saarlandes)
Q3 2025
- Studientelegramm 314-2025
- Ausblick ESC-Kongress I: Dyslipidämie Leitlinien-Update
- Ausblick ESC-Kongress II: AQUATIC
- Ausblick ESC-Kongress III: DIGIT-HF
- Studientelegramm 313-2025
- Anti-Xa-Monitoring: Ohne Evidenz
- Winter Is Coming: Kardiovaskuläre Prävention durch Impfungen
- DIALIZE-Outcomes: Ohne Outcomes
Ausgabe 314 - 26. Juli 2025
Ausblick ESC-Kongress I: Dyslipidämie Leitlinien-Update
Studientelegramm 314-2025-1/3: Auf dem kommenden Jahreskongress der European Society of Cardiology werden neben vielen Late-Breaking Trials auch neue Leitlinien der ESC vorgestellt [1]. Für außerhalb der Kardiologie tätige Ärztinnen und Ärzte ist hierbei wahrscheinlich insb. das Update der Guideline von 2019 zur Dyslipidämie bedeutsam [2]. Mit Spannung wird erwartet, ob die bereits sehr strengen Zielwerte für LDL-Cholesterin beibehalten, abgemildert oder noch verschärft werden, welche Empfehlungen zum Management der Hypertriglyceridämie erfolgen und wie neuere lipidsenkende Substanzen wie Bempedoinsäure in der Leitlinie implementiert werden. Das Update wird allerdings voraussichtlich schon bald wieder überholt sein: Für das nächste Jahr wird die Markteinführung von ersten Substanzen zur selektiven Lp(a)-Senkung sowie vom CETP-Inhibitor Obicetrapib [3] erwartet.
Ausblick ESC-Kongress II: AQUATIC
Studientelegramm 314-2025-2/3: Bei Personen mit chronischem Koronarsyndrom kann bspw. aufgrund eines Vorhofflimmerns die Indikation sowohl zur Thrombozytenaggregationshemmung (APT, Antiplatelet Therapy) als auch zur oralen Antikoagulation (OAK) bestehen. Mehrere ostasiatische Studien (bspw. AFIRE [4]) haben gezeigt, dass unter Kombination von APT und OAK das Blutungsrisiko erwartungsgemäß erhöht ist, überraschenderweise jedoch kein zusätzlicher kardiovaskulärer Benefit gegenüber einer Monotherapie mit oralen Antikoagulanzien besteht. Die prospektive, randomisierte, placebokontrollierte und doppelblinde AQUATIC- Studie aus Frankreich sollte nun bei 2.000 Personen mit koronarer Herzerkrankung und Indikation zur oralen Antikoagulation die Effektivität und Sicherheit einer OAK-Monotherapie im Vergleich zu OAK in Kombination mit ASS untersuchen. Primärer Endpunkt ist ein Kompositum aus kardiovaskulärer Mortalität, Myokardinfarkt, Schlaganfall, systemischer Embolie, koronarer Revaskularisation und akuter Extremitätenischämie.
Die Ergebnisse von AQUATIC werden beim ESC-Kongress vorgestellt.
- Studiendesign: Didier et al., Assessment of quitting versus using aspirin therapy in patients with stabilized coronary artery disease after stenting who require long-term oral anticoagulation: Rationale for and design of the AQUATIC double-blind randomized trial, Archives of Cardiovascular Diseases [5]
Ausblick ESC-Kongress III: DIGIT-HF
Studientelegramm 314-2025-3/3: Die Bedeutung der Digitalisglykoside für die Behandlung der Herzinsuffizienz ist in den letzten drei Jahrzehnten deutlich geschwunden, da im Gegensatz zu den heutigen Standardtherapeutika (wie ACE-Hemmern/AT1-Rezeptor-Blockern, Betablockern, Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten und SGLT2-Inhibitoren) kein Vorteil hinsichtlich Morbidität oder Mortalität nachgewiesen ist. Aktuell werden sie gemäß europäischer Leitlinie nur noch bei unzureichender Symptomkontrolle unter optimaler medikamentöser Therapie sowie zur Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern mit symptomatischer Herzinsuffizienz empfohlen [6]. Mit DIGIT-HF wurde nun erstmals in einer multizentrischen randomisierten, placebokontrollierten Phase-IV-Studie mit adäquater statistischer Power die Wirksamkeit und Sicherheit von Digitoxin als Ergänzung zur Standardtherapie bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) untersucht. Dafür wurden 1.240 Personen mit fortgeschrittener HFrEF randomisiert (NYHA-Stadium III–IV mit LVEF ≤40% oder NYHA-Stadium II mit LVEF ≤30%) [7].
Primärer Endpunkt ist ein Kompositum aus Gesamtmortalität und Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierung. Während eine Substudie zur optimalen Dosierung von Digitoxin bereits publiziert wurde [8], wird die Präsentation der Ergebnisse von DIGIT-HF auf dem ESC-Kongress mit Spannung erwartet.
DIGIT-HF wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Braukmann-Wittenberg-Herz-Stiftung unterstützt.
- Studiendesign: Bavendiek et al., Rationale and design of the DIGIT-HF trial (DIGitoxin to Improve ouTcomes in patients with advanced chronic Heart Failure): a randomized, double-blind, placebo-controlled study, European Journal of Heart Failure [9]
Ausgabe 313 - 12. Juli 2025
Anti-Xa-Monitoring: Ohne Evidenz
Studientelegramm 313-2025-1/3: Die korrekte Dosierung niedermolekularer Heparine (NMH) ist für bestimmte Personengruppen (bspw. Personen mit Adipositas oder chronischer Nierenkrankheit, Kinder und Schwangere) unzureichend untersucht. Zur Therapiesteuerung wird daher häufig ein Anti-Xa-Monitoring durchgeführt, obwohl dessen klinischer Nutzen, die Aussagekraft der Befunde und der Zielbereich umstritten sind und von internationalen Leitlinien uneinheitlich bewertet werden. Eine niederländische Arbeitsgruppe hat nun in einem systematischen Review die Evidenz zum Nutzen des Anti-Xa-Monitorings bei therapeutischer NMH-Gabe untersucht.
Analysiert wurden insgesamt 48 Studien (davon 44 Beobachtungs- und 4 randomisierte Studien). Das Monitoring führte häufig zu Dosisanpassungen. Im Vergleich der Gruppen mit und ohne Monitoring zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied hinsichtlich klinischer Endpunkte (Blutungen und venöse Thromboembolien). Außerdem fand sich nur ein sehr schwacher bis fehlender Zusammenhang zwischen der Höhe des Anti-Xa-Spiegels und dem Auftreten dieser Ereignisse.
Somit fehlt auch weiterhin ausreichende Evidenz für ein routinemäßiges Anti-Xa-Monitoring zur Therapiesteuerung bei vulnerablen Personengruppen. Bei der Interpretation der Ergebnisse sind die Heterogenität sowie das hohe Bias-Risiko der Studien zu beachten. Es bedarf daher weiterer großer, randomisiert-kontrollierter Studien.
- Systematisches Review: Jaspers et al., A systematic review on anti-Xa monitoring in the therapeutic use of Low-Molecular-Weight Heparins, Journal of Thrombosis and Haemostasis [10]
Winter Is Coming: Kardiovaskuläre Prävention durch Impfungen
Studientelegramm 313-2025-2/3: Infektionskrankheiten wie Influenzavirus-, SARS-CoV-2-, RSV-, Pneumokokkeninfektionen sowie Herpes zoster sind mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität assoziiert, insb. bei älteren und kardiovaskulär erkrankten Personen. Als mögliche Pathomechanismen werden bei respiratorischen Erregern neben direkten Effekten (endotheliale/myokardiale Infektion) zahlreiche indirekte diskutiert (bspw. eine Destabilisierung atherosklerotischer Plaques durch Inflammation und Gerinnungsaktivierung).
Für mehrere Impfungen (Influenza-, COVID-19-, Pneumokokken- und Herpes-zoster-Impfung) konnte bereits eine präventive Wirkung hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse gezeigt werden. Am besten belegt sind dabei die Vorteile der Influenza-Impfung: Schwere kardiovaskuläre Ereignisse können damit laut einer Metaanalyse, die Personen mit akuten und chronischen kardiovaskulären Erkrankungen einschloss, um 30% reduziert werden [11]. Randomisierte Studien zeigten insb. bei akuten kardiovaskulären Erkrankungen einen ausgeprägten präventiven Effekt (mit um 41% reduzierter kardiovaskulärer Mortalität durch eine Influenza-Impfung nach akutem Myokardinfarkt in der IAMI-Studie, die auch bei MARKUS@HOMe ausführlich diskutiert wurde [12]; siehe auch: Studientelegramm 188-2021-1/3).
Eine Konsensuserklärung der European Society of Cardiology (ESC) fasst nun die verfügbare Evidenz zusammen und gibt konkrete Impfempfehlungen für kardiovaskuläre Risikogruppen. Aufgrund ihrer hohen Sicherheit und Wirksamkeit werden Impfungen darin als vierte Säule der pharmakologischen kardiovaskulären Prävention (neben Antihypertensiva, Lipidsenkern und Antidiabetika) eingeordnet. Generell wird bei kardiovaskulären Erkrankungen eine jährliche Influenza-Impfung empfohlen, die insb. bei akutem Koronarsyndrom vorzugsweise noch während des stationären Aufenthalts erfolgen sollte.
Wir möchten daher die Konsensuserklärung als Sommerlektüre empfehlen, um der kommenden Infektsaison effektive präventive Maßnahmen entgegensetzen zu können.
- Clinical Consensus Statement: Heidecker et al., Vaccination as a new form of cardiovascular prevention: a European Society of Cardiology clinical consensus statement, European Heart Journal [13]
DIALIZE-Outcomes: Ohne Outcomes
Studientelegramm 313-2025-3/3: Hyperkaliämien sind bei hämodialysepflichtiger chronischer Nierenerkrankung (CKD) häufig und werden mit einem erhöhten Risiko für Arrhythmien und andere kardiovaskuläre Ereignisse in Verbindung gebracht. Eine effektive Senkung des Serumkaliumspiegels durch Natriumzirconiumcyclosilicat (SZC; oraler Kaliumbinder) wurde bereits in der Phase-III-Studie DIALIZE nachgewiesen [14]. Ob diese auch zu einer Reduktion kardiovaskulärer Komplikationen führt, untersuchte nun die DIALIZE-Outcomes-Studie.
In dieser internationalen, doppelt verblindeten Phase-III-Studie wurden 2.690 Personen mit hämodialysepflichtiger CKD und rezidivierender Hyperkaliämie (≥5,5 mmol/L vor Dialyse) randomisiert. Die Teilnehmenden erhielten entweder SZC (5 g/d an dialysefreien Tagen, anschließend wöchentliche Titration über 4 Wochen mit bis zu 15 g zur Erreichung einer Normokaliämie) oder ein Placebo. Primärer Endpunkt war ein Kompositum aus plötzlichem Herztod, Schlaganfall oder arrhythmiebedingter Hospitalisierung, Intervention oder Notaufnahmevorstellung.
Die Studie wurde aufgrund einer niedrigen Ereignis- und hohen Abbruchrate vorzeitig beendet. Der primäre Endpunkt trat in beiden Gruppen ähnlich häufig auf (8,8% in der SZC-Gruppe vs. 8,9% in der Placebo-Gruppe; HR: 0,98; 95% KI: 0,76–1,26). Wie erwartet war SZC bei der Kontrolle des Kaliumspiegels wirksam (Normokaliämie nach 12 Monaten bei 74% vs. 47%; OR: 3,36; 95% KI: 2,64–4,26). Das Auftreten schwerwiegender Adverse Events war in beiden Gruppen vergleichbar, in der SZC-Gruppe kam es etwas häufiger zu Hypokaliämien (3,0% vs. 1,4% in der Placebogruppe).
Somit scheint die prognostische Bedeutung einer medikamentösen Kaliumsenkung bei Personen mit hämodialysepflichtiger CKD geringer zu sein als bislang angenommen. Die Aussagekraft der Studie ist jedoch u.a. aufgrund des vorzeitigen Abbruchs limitiert.
DIALIZE-Outcomes wurde von AstraZeneca finanziert.
- Studie: Fishbane et al., The randomized DIALIZE-Outcomes trial evaluated sodium zirconium cyclosilicate in hemodialysis, Kidney International [15]
Q2 2025
- Studientelegramm 312-2025
- Highlights vom ISTH-Kongress I: Aufwind für Apixaban
- Highlights vom ISTH-Kongress II: Das Ende der Plasmapherese bei TTP?
- GLP1-Analoga: cAMP-Bias für nachhaltige Gewichtsreduktion?
- Studientelegramm 311-2025
- CONFIDENCE: Additive Nephroprotektion durch Finerenon und Empagliflozin?
- VALIANT: Hoffnung für membranoproliferative Glomerulonephritiden?
- ACHIEVE: Kein Benefit für Spironolacton bei dialysepflichtiger CKD
- Studientelegramm 310-2025
- DOAK bei Schlaganfall und CKD: Sicherer Frühstart?
- Praxisleitfaden: Interventioneller Vorhofohrverschluss
- Ausblick auf den ERA-Kongress 2025
- Studientelegramm 309-2025
- TVT-Risiko unter GLP1-Analoga: Beine im Blick behalten
- Antikoagulation nach venöser Thromboembolie: Apixaban überlegen?
- Primärer Hyperaldosteronismus: Kochsalzbelastungstest nicht belastbar?
- Studientelegramm 308-2025
- SGLT2- und RAAS-Inhibitoren: Weniger Hyperkaliämien bei Kombination?
- ACC-Rückblick IV: Intravenöse Eisengabe bei Herzinsuffizienz
- Schwache Korrelation von Lipoprotein(a) mit konventionellen Lipidparametern
- Studientelegramm 307-2025
- ACC-Rückblick I: SGLT2-Inhibitoren auch nach TAVI?
- ACC-Rückblick II: Another big STRIDE for Semaglutide?
- ACC-Rückblick III: Flüssigkeitsrestriktion bei Herzinsuffizienz
Ausgabe 312 - 28. Juni 2025
Highlights vom ISTH-Kongress I: Aufwind für Apixaban
Studientelegramm 312-2025-1/3: In den Zulassungsstudien der vier in Deutschland verfügbaren direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) wurden Rivaroxaban, Apixaban, Dabigatran und Edoxaban jeweils mit Vitamin-K-Antagonisten verglichen. Indirekte Vergleiche und Real-World-Analysen zum Einsatz von Rivaroxaban und Apixaban bei venöser Thromboembolie (VTE, d.h. tiefe Venenthrombose und/oder Lungenarterienembolie) deuten auf eine erhöhte Effektivität und Sicherheit von Apixaban hin (siehe auch: Studientelegramm 239-2022-2/3). Direkte randomisierte Vergleiche beider Substanzen fehlten jedoch bisher.
Beim ISTH-Kongress wurden nun die Ergebnisse der COBRRA-Studie [16] vorgestellt, für die 2.760 Personen mit VTE 1:1 randomisiert über 3 Monate entweder Apixaban oder Rivaroxaban erhielten. Das Risiko einer klinisch relevanten Blutung (primärer Endpunkt) war unter Apixaban deutlich geringer als unter Rivaroxaban (3,3% vs. 7,2%). Kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen zeigte sich dagegen hinsichtlich einer Rezidiv-VTE und VTE-assoziierten Mortalität.
Eine Veröffentlichung der Ergebnisse steht noch aus. Ob Apixaban auch bei Personen mit Vorhofflimmern einen ähnlichen Vorteil bietet, soll die aktuell laufende Studie COBRRA-AF [17] überprüfen.
Highlights vom ISTH-Kongress II: Das Ende der Plasmapherese bei TTP?
Studientelegramm 312-2025-2/3: Die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) ist eine seltene, lebensbedrohliche Erkrankung, die mit Thrombozytopenie, hämolytischer Anämie und neurologischen Symptomen einhergeht. Ursache ist eine – meist autoantikörpervermittelte – verminderte Aktivität der Protease ADAMTS13, die die Zahl der Von-Willebrand-Faktor-Multimere und somit insb. die Thrombozytenaggregation steigert. In der Therapie wird zusätzlich zu Plasmapherese und Immunsuppressiva (Corticosteroide, ggf. Rituximab) seit wenigen Jahren auch Caplacizumab (Anti-vWF-Immunoglobulinfragment) eingesetzt [18], das u.a. die gesteigerte Thrombozytenaggregation durch die vWF-Multimere verringert (wir berichteten bereits über die Zulassungsstudie, siehe: Studientelegramm 59-2019-3/3).
Die auf dem ISTH-Kongress vorgestellte einarmige, multizentrische Phase-III-Studie MAYARI [19] untersuchte nun, ob unter Gabe von Caplacizumab und immunsuppressiver Therapie eine Remission ohne Plasmapherese möglich ist. Dieser primäre Endpunkt wurde bei 93,5% (43/46) der Teilnehmenden erreicht.
Weitere, größere randomisierte Studien sind jedoch zur Untermauerung dieser Ergebnisse erforderlich. Darüber hinaus birgt die Therapie mit Caplacizumab ein erhöhtes Blutungsrisiko und ist weiterhin sehr kostenintensiv. Bei MARKUS@HOMe wurden kürzlich bereits die Therapiestrategien bei TTP diskutiert [20].
MAYARI wurde durch Sanofi finanziert.
GLP1-Analoga: cAMP-Bias für nachhaltige Gewichtsreduktion?
Studientelegramm 312-2025-3/3: GLP1-Analoga schreiben in der internistischen Pharmakotherapie aktuell eine womöglich einmalige Erfolgsgeschichte. Insb. Semaglutid ermöglicht neben seinen antidiabetischen und gewichtsreduzierenden Eigenschaften auch eine kardiovaskuläre und renale Prognoseverbesserung. Als sog. „unbiased“ Analogon wirkt Semaglutid über die intrazellulären Signalwege sowohl von cAMP als auch von β-Arrestin, was jedoch mit einer Rezeptordesensibilisierung in Verbindung gebracht wird und so potenziell die Langzeitwirksamkeit limitieren könnte. Ecnoglutid hingegen ist ein neues „cAMP-biased“ GLP1-Analogon, das bevorzugt den cAMP-Signalweg aktiviert und so eine stärkere und länger anhaltende Wirkung erzielen soll. Eine multizentrische, randomisierte, doppelt verblindete Phase-III-Studie in China untersuchte nun seine Wirksamkeit und Sicherheit.
664 erwachsene Personen mit Übergewicht oder Adipositas und mind. einer gewichtsbezogenen Komorbidität (jedoch ohne Diabetes mellitus) erhielten einmal wöchentlich entweder Ecnoglutid (1,2 mg, 1,8 mg oder 2,4 mg) oder ein Placebo subkutan. Primäre Endpunkte waren die prozentuale Veränderung des Körpergewichts und der Anteil der Teilnehmenden mit einer Gewichtsreduktion ≥5% nach 40 Wochen. Unter Ecnoglutid zeigte sich eine ausgeprägte, dosisabhängige und signifikant höhere Gewichtsabnahme (1,2 mg: 9,1%; 1,8 mg: 10,9%; 2,4 mg: 13,2%) als unter Placebo (0,1%). Eine Gewichtsreduktion ≥5% ließ sich mit Ecnoglutid je nach Dosis bei 77–87% der Behandelten erzielen (16% in der Placebogruppe). Auch sekundäre Endpunkte (bspw. Taillenumfang, Blutdruck, Blutzucker) ließen sich signifikant positiv beeinflussen. Das Nebenwirkungsprofil war mit dem anderer GLP1-Analoga vergleichbar.
Diese Ergebnisse suggerieren, dass Ecnoglutid stärker wirksam sein könnte als bereits etablierte Substanzen wie Semaglutid, was jedoch durch direkte Vergleichsstudien bestätigt werden muss. Auch die Langzeitwirksamkeit ist noch nicht ausreichend untersucht.
Die Studie wurde von Hangzhou Sciwind Biosciences finanziert.
Ausgabe 311 - 14. Juni 2025
CONFIDENCE: Additive Nephroprotektion durch Finerenon und Empagliflozin?
Studientelegramm 311-2025-1/3: Die nephroprotektive Wirkung von SGLT2-Inhibitoren und dem nicht-steroidalen Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten Finerenon bei Diabetes mellitus Typ 2 und chronischer Nierenkrankheit (CKD) wurde bereits in Phase-III-Studien nachgewiesen (siehe auch: Studientelegramm 243-2022-2/3, Studientelegramm 145-2020-1/3). Die jeweils andere Substanz war in diesen Studien jedoch i.d.R. kein Bestandteil der weiteren Medikation. In der multizentrischen, randomisiert-kontrollierten und doppelt verblindeten Phase-II-Studie CONFIDENCE wurde daher nun die Effektivität und Sicherheit einer simultanen Gabe von Finerenon und Empagliflozin untersucht.
800 Personen mit chronischer Nierenkrankheit (eGFR 30–90 mL/min/1,73 m2), Albuminurie (Albumin-Kreatinin-Quotient 100–5.000 mg/g) und Diabetes mellitus Typ 2 unter Therapie mit einem RAAS-Inhibitor erhielten dabei im Verhältnis 1:1:1 zusätzlich entweder Finerenon (10 oder 20 mg/d plus ein Placebo), Empagliflozin (10 mg/d plus ein Placebo) oder eine Kombination beider Wirkstoffe. Primärer Endpunkt war die Veränderung des Albumin-Kreatinin-Quotienten (AKQ) nach 180 Tagen. Mithilfe der Kombination beider Wirkstoffe ließ sich der AKQ um 52% reduzieren und somit nicht unerwartet signifikant stärker (um 32% bzw. 29%) als unter Empagliflozin bzw. Finerenon alleine. Erwartbare Nebenwirkungen (insb. symptomatische Hypotonie, akute Nierenfunktionseinschränkung und Hyperkaliämie) traten nur selten auf. Unerwartete Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
Eine Kombination aus Finerenon und Empagliflozin bei chronischer Nierenkrankheit und Diabetes mellitus Typ 2 erwies sich demnach als sicher und konnte die Albuminurie stärker reduzieren als die jeweilige Monotherapie. Neben dem kurzen Follow-up-Zeitraum von 6 Monaten sollte bei der Interpretation dieser Ergebnisse beachtet werden, dass die Studie primär einen Surrogatendpunkt untersuchte. Ob sich auch klinische Endpunkte (insb. Dialysepflichtigkeit) positiv beeinflussen lassen, muss noch in größeren Langzeitstudien untersucht werden.
CONFIDENCE wurde von Bayer finanziert.
- Studie: Agarwal et al., Finerenone with Empagliflozin in Chronic Kidney Disease and Type 2 Diabetes, NEJM [22]
VALIANT: Hoffnung für membranoproliferative Glomerulonephritiden?
Studientelegramm 311-2025-2/3: Die C3-Glomerulopathie (C3G) und die primäre (idiopathische) Immunkomplex-vermittelte membranoproliferative Glomerulonephritis (IC-MPGN) sind Formen der MPGN, bei denen es durch eine Dysregulation des Komplementsystems zu Ablagerungen des Komplementfaktors C3 in den Glomeruli kommt (sowie zusätzlich von Immunglobulinen bei IC-MPGN). Die Folge ist eine progrediente Nierenschädigung bis hin zum Nierenversagen. Bislang gibt es jedoch keine evidenzbasierten Therapiemöglichkeiten für diese Erkrankungen. Die Phase-III-Studie VALIANT [23], deren Ergebnisse nach 52-wöchigem Studienzeitraum nun vorgestellt wurden [24], untersuchte daher die Wirksamkeit und Sicherheit des C3/C3b-Komplementinhibitors Pegcetacoplan bei aktiver C3G und aktiver primärer IC-MPGN.
Dafür erhielten 124 betroffene Personen ≥12 Jahre zunächst über 26 Wochen randomisiert entweder Pegcetacoplan oder Placebo, anschließend wurden in einer ebenso langen unverblindeten Phase alle Teilnehmenden mit Pegcetacoplan behandelt. Der primäre Endpunkt war die Veränderung der Protein-Kreatinin-Ratio im Urin (UPCR) nach 26 Wochen gegenüber dem Ausgangswert.
Pegcetacoplan führte im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Reduktion der Proteinurie um 68,1% nach 26 Wochen (95% KI: 57,3–76,2; p <0,0001), die auch über die unverblindete Phase hinweg stabil blieb. Bei Personen, die zunächst in der randomisierten Phase ein Placebo erhalten hatten, verringerte sich die UPCR in der unverblindeten Phase um immerhin 51,3%. Das Sicherheitsprofil des Wirkstoffs entsprach insg. dem vorheriger Studien. Während der unverblindeten Phase wurde eine schwere Pneumokokken-Infektion beobachtet (trotz Impfschutzes aller Teilnehmenden gegen bekapselte Bakterien).
Diese positiven Ergebnisse lassen auf eine zukünftige zielgerichtete, wenn auch kostenintensive Therapie der C3G und idiopathischen IC-MPGN hoffen.
VALIANT wurde von Swedish Orphan Biovitrum AB und Apellis Pharmaceuticals finanziert.
ACHIEVE: Kein Benefit für Spironolacton bei dialysepflichtiger CKD
Studientelegramm 311-2025-3/3: Personen mit dialysepflichtiger chronischer Nierenkrankheit (CKD) weisen eine sehr hohe kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität auf. Häufige Todesursachen sind atherosklerotische Erkrankungen, Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen. Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten (MRA) wie Spironolacton gelten als vielversprechende Therapieoption, da sie das kardiale Remodeling reduzieren und die CKD häufig mit erhöhten Aldosteronspiegeln einhergeht. Bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) gehören MRA aufgrund ihrer positiven kardiovaskulären Effekte zur medikamentösen Basistherapie. Bei Personen mit dialysepflichtiger CKD zeigte sich in Studien (DOHAS [25], ALCHEMIST [26]) bislang jedoch kein eindeutiger Benefit. Diesen sollte nun die internationale, randomisiert-kontrollierte Multicenter-Studie ACHIEVE nachweisen.
In einer Open-Label-Run-in-Phase mit Spironolacton wurde zunächst die Verträglichkeit und Adhärenz sichergestellt. Anschließend wurden insg. 2.538 Personen mit CKD und Hämo- oder Peritonealdialyse 1:1 zu Spironolacton (25 mg/d) oder Placebo randomisiert. Primärer Endpunkt war ein Kompositum aus kardiovaskulärem Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz.
Die Studie wurde nach einer Zwischenanalyse mit >500 primären Endpunktereignissen vorzeitig beendet. Die Gabe von Spironolacton bei dialysepflichtigen Personen war zwar sicher, zeigte aber keinen kardiovaskulären Benefit (Futilität [27]). Zu beachten ist, dass (wie in den o.g. vorherigen Studien auch) nicht explizit Personen mit HFrEF, sondern mit allgemeinen kardiovaskulären Risikofaktoren eingeschlossen wurden.
- Studie: Walsh et al., The Aldosterone Blockade for Health Improvement Evaluation in End-Stage Renal Disease (ACHIEVE) Trial: Rationale and Clinical Research Protocol, Canadian Journal of Kidney Health and Disease [28]
Ausgabe 310 - 31. Mai 2025
DOAK bei Schlaganfall und CKD: Sicherer Frühstart?
Studientelegramm 310-2025-1/3: Die Einleitung einer oralen Antikoagulation bei akutem ischämischem Schlaganfall (IS) und Vorhofflimmern (VHF) erfolgte über lange Zeit mit bis zu mehrwöchiger Latenz, um hämorrhagische Umwandlungen von ischämischen Infarktarealen zu vermeiden. Neuere RCTs (bspw. TIMING [29], ELAN [30] und OPTIMAS [31]) zeigten jedoch, dass eine frühe Gabe von direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) innerhalb von 4 bis max. 7 Tagen sicher und einer späteren Einleitung nicht unterlegen ist. Ob dies auch für Personen mit chronischer Nierenkrankheit (CKD) und somit erhöhtem Blutungs- und Schlaganfallrisiko gilt, untersuchte nun eine Subgruppenanalyse der britischen Multicenter-Studie OPTIMAS.
Insg. wurden 3.601 Personen mit akutem IS und VHF eingeschlossen, davon 543 Personen mit CKD (eGFR ≥15 mL/min, überwiegend Stadium G2 und G3). Die Teilnehmenden der beiden Gruppen (mit bzw. ohne CKD) wurden, stratifiziert nach Schweregrad des IS, jeweils 1:1 entweder auf eine frühe DOAK-Einleitung (innerhalb von 4 Tagen) oder einen verzögerten Beginn (Tag 7–14) randomisiert. Der primäre Endpunkt (Kompositum aus rezidivierendem IS, nicht-klassifiziertem Schlaganfall, symptomatischer intrakranieller Blutung [sICH] und systemischer arterieller Embolie) trat in der CKD-Gruppe bei 3,5% und in der Gruppe ohne CKD bei 3,2% der Personen auf. In beiden Gruppen zeigte sich hierbei kein signifikanter Unterschied zwischen früher und verzögerter DOAK-Gabe (CKD: OR 0,90; 95% KI: 0,36–2,25; ohne CKD: OR 1,01; 95% KI: 0,67–1,51; Interaktions-p-Wert = 0,822). Auch hinsichtlich der sekundären Endpunkte gab es keine signifikanten Unterschiede – insb. sICH oder schwere extrakranielle Blutungen traten bei früher DOAK-Gabe und CKD nicht vermehrt auf.
Obwohl die Fallzahlen in den Subgruppen klein und die Konfidenzintervalle weit waren, legen diese Ergebnisse nahe, dass eine chronische Nierenkrankheit einer frühen DOAK-Einleitung nach IS bei VHF nicht entgegensteht. Für Personen mit schwerer CKD (ab Stadium G4) fehlen jedoch weiterhin Daten.
OPTIMAS wurde von der British Heart Foundation finanziert.
- Studie: Nash et al., Anticoagulation Timing in Acute Stroke With Atrial Fibrillation According to Chronic Kidney Disease: The OPTIMAS Trial, Stroke [32]
Praxisleitfaden: Interventioneller Vorhofohrverschluss
Studientelegramm 310-2025-2/3: Der linksatriale Vorhofohrverschluss (LAAC) gewinnt zunehmend an Bedeutung als Alternative zur oralen Antikoagulation (OAK) in der Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern. Während der Verschluss selbst in spezialisierten Zentren erfolgt, ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten essenziell, die an der Indikationsstellung, Vorbereitung und Nachsorge beteiligt sind. Nun wurde ein internationales Konsensuspapier veröffentlicht, das praxisrelevante Aspekte für nicht-implantierende Ärztinnen und Ärzte zusammenfasst.
Für einen LAAC geeignet sind insb. Personen nach schweren Blutungen, mit anderen Kontraindikationen für eine langfristige OAK (bspw. stark erhöhtes Blutungsrisiko bei fortgeschrittener chronischer Nierenkrankheit) oder nach Schlaganfall trotz adäquater OAK. Wichtig ist eine gewissenhafte individuelle Einschätzung des Blutungs- und Schlaganfallrisikos. Potenziell reversible Blutungs- oder andere Schlaganfallursachen sollten zudem ausgeschlossen werden.
Der Leitfaden bietet eine Übersicht zu verschiedenen LAAC-Systemen, Implantationstechniken, notwendiger prä- und postinterventioneller Diagnostik sowie möglichen Komplikationen. Nach LAAC ist eine zeitlich begrenzte, antithrombotische Therapie notwendig. Dafür werden verschiedene, z.T. noch nicht evidenzbasierte, Therapiestrategien diskutiert (orale Antikoagulanzien, einfache oder doppelte Thrombozytenaggregationshemmung), über die aktuell insb. anhand des individuellen Blutungs- und Thromboembolierisikos entschieden werden sollte. Der Leitfaden enthält zudem umfangreiche Überlegungen zu verschiedenen Risikoszenarien (bspw. schwere gastrointestinale Blutungen, Leberzirrhose oder intrakranielle Blutungen) sowie einen Abschnitt mit häufigen Fragen.
Das Konsensuspapier unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen, individualisierten Indikationsstellung und einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit. Weitere randomisierte Studien, insb. zu Risikopopulationen und im Vergleich mit direkten oralen Antikoagulanzien, sind wünschenswert.
- Konsensuspapier: Potpara et al., Practical guide on left atrial appendage closure for the non-implanting physician: an international consensus paper. EP Europace [33]
Ausblick auf den ERA-Kongress 2025
Studientelegramm 310-2025-3/3: In der ersten Juniwoche wird in Wien der Jahreskongress der European Renal Association (ERA) stattfinden. Von besonderem Interesse auch über die Nephrologie hinaus werden dabei insb. einige „Late Breaking Clinical Trials“ sein.
Mit Spannung wird zum einen die internationale randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Phase-III-Studie ACHIEVE [34] erwartet, die den Einsatz des Mineralocorticoidrezeptor-Antagonisten (MRA) Spironolacton bei 2.538 Personen mit Nierenversagen unter Dialysebehandlung untersuchte. Während bei geringeren CKD-Schweregraden bereits kardiovaskuläre Vorteile einer MRA-Therapie belegt sind, ist die Datenlage bei Nierenversagen bisher unzureichend.
Zum anderen wird die internationale randomisierte, doppelblinde CONFIDENCE-Studie [35] im Fokus stehen. Da sowohl für den nicht-steroidalen MRA Finerenon als auch für SGLT2-Inhibitoren renale und kardiovaskuläre Vorteile bei Diabetes mellitus Typ 2 und chronischer Nierenkrankheit (CKD) nachgewiesen sind, verglich diese Phase-II-Studie eine Kombinationstherapie aus Finerenon und Empagliflozin bei 807 Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 und CKD im Stadium 2–3 mit einer alleinigen Anwendung der Substanzen. Bei der Interpretation der Ergebnisse wird neben dem eher kurzen Follow-up-Zeitraum von 6 Monaten zu beachten sein, dass CONFIDENCE primär einen Surrogatendpunkt untersuchte (die Veränderung des Albumin-Kreatinin-Quotienten im Urin).
Bei MARKUS@HOMe [36] konnten wir ACHIEVE bereits im Juli 2024 mit dem Studienleiter diskutieren. Für den 13.06.2025 planen wir darüber hinaus ein Webinar mit mehreren Studienleitenden von Late Breaking Trials des ERA-Kongresses.
Ausgabe 309 - 17. Mai 2025
TVT-Risiko unter GLP1-Analoga: Beine im Blick behalten
Studientelegramm 309-2025-1/3: GLP1-Analoga werden aufgrund ihrer positiven kardiovaskulären und renalen Effekte zunehmend breit eingesetzt, insb. seltenere Nebenwirkungen der Anwendung sind jedoch bisher nicht umfassend erforscht. Da eine Metaanalyse im Jahr 2021 bereits ein erhöhtes Risiko für tiefe Venenthrombosen (TVT) unter Semaglutid zeigte, untersuchte eine aktuelle, größere Metaanalyse nun das Auftreten venöser Thromboembolien (VTE; d.h. TVT und/oder Lungenarterienembolien) unter allen zugelassenen GLP1-Analoga.
In die Analyse wurden Daten aus 39 randomisiert-kontrollierten Studien mit insg. 70.499 Teilnehmenden eingeschlossen. VTE traten unter GLP1-Analoga gegenüber den Vergleichssubstanzen (Insulin, andere Antidiabetika, Placebo) numerisch häufiger auf, jedoch nicht signifikant (Odds Ratio [OR]: 1,19; 95% KI: 0,94–1,50). Während sich hinsichtlich des Risikos für Lungenarterienembolien kein Einfluss einer GLP1-Analoga-Anwendung nachweisen ließ, war das TVT-Risiko signifikant erhöht (OR: 1,64; 95 % KI: 1,14–2,36). Dieser Effekt war insb. bei längerer Behandlungsdauer (≥1,5 Jahre) zu beobachten (OR: 2,32; 95 % KI: 1,49–3,60), während sich bei kürzerer Behandlungsdauer keine Risikoerhöhung zeigte.
Diese große Metaanalyse weist somit auf ein erhöhtes TVT-Risiko hin, insb. bei langfristiger Behandlung mit GLP1-Analoga. Zu beachten ist, dass VTE-Ereignisse in den zugrundeliegenden RCTs keine vordefinierten Endpunkte darstellten und daher möglicherweise unzureichend erfasst wurden.
- Systematisches Review und Metaanalyse: Liu et al., Glucagon-Like Peptide-1 Receptor Agonists and Risk of Venous Thromboembolism: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials, Journal of the American Heart Association [37]
Antikoagulation nach venöser Thromboembolie: Apixaban überlegen?
Studientelegramm 309-2025-2/3: Zur Rezidivprophylaxe nach venöser Thromboembolie (VTE; tiefe Venenthrombose und/oder Lungenarterienembolie) sind direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) inzwischen als Standard etabliert. In randomisierten Studien waren sie dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin in Effektivität und Sicherheit nicht unterlegen, wobei sich insb. hinsichtlich des Risikos für Hirnblutungen Vorteile zeigten. Daten aus randomisierten Vergleichsstudien der unterschiedlichen DOAKs liegen jedoch bisher nicht vor.
Eine kürzlich publizierte bevölkerungsbasierte US-amerikanische Kohortenstudie verglich die Effektivität und Sicherheit einer Antikoagulation mit Apixaban, Rivaroxaban und Warfarin nach VTE. Anhand dreier Gesundheitsdatenbanken wurden dafür Daten von 163.593 Personen analysiert, die in den Jahren 2017–2024 nach VTE einen dieser Wirkstoffe erhielten (medianer Follow-up-Zeitraum 169 Tage). Primäre Endpunkte waren Krankenhausaufenthalte aufgrund rezidivierender VTE (Effektivitätsendpunkt) und schwerer Blutungen (Sicherheitsendpunkt). Apixaban war im Vergleich zu Warfarin mit einem geringeren Risiko für Rezidive (HR: 0,67; 95% KI: 0,61–0,75) und schwere Blutungen assoziiert (HR: 0,70; 95% KI: 0,64–0,76). Rivaroxaban war Warfarin hinsichtlich der Effektivität überlegen (HR: 0,77; 95% KI: 0,69–0,87), jedoch nicht hinsichtlich der Sicherheit (HR: 1,02; 95% KI: 0,92–1,12). Im direkten DOAK-Vergleich war Apixaban gegenüber Rivaroxaban mit einem geringeren Risiko für Rezidive (HR: 0,87; 95% KI: 0,78–0,96) und schwere Blutungen (HR 0,69; 95% KI: 0,63–0,75) assoziiert. Die Ergebnisse waren über verschiedene Subgruppen konsistent (bspw. Alter, Geschlecht, chronische Nierenkrankheit, Frailty), allerdings teils nicht signifikant.
Diese retrospektiven Daten deuten darauf hin, dass Apixaban verglichen mit Warfarin und Rivaroxaban das günstigste Nutzen-Risiko-Profil zur Antikoagulation nach VTE aufweist und daher für die meisten Menschen die wirksamste und sicherste Therapieoption sein könnte.
- Studie: Bea et al., Oral Anticoagulation and Risk of Adverse Clinical Outcomes in Venous Thromboembolism, JAMA Internal Medicine [38]
Primärer Hyperaldosteronismus: Kochsalzbelastungstest nicht belastbar?
Studientelegramm 309-2025-3/3: Der primäre Hyperaldosteronismus (PA) ist die häufigste endokrine Ursache einer sekundären Hypertonie und ursächlich für 5–15% aller Hypertoniefälle. Zur diagnostischen Abklärung folgt auf einen auffälligen Screeningtest (Aldosteron-Renin-Quotient, ARR) meist ein Bestätigungstest. Dazu wird häufig der Kochsalzbelastungstest eingesetzt (Seated Saline Suppression Test, SSST; Messung insb. der Aldosteronkonzentration vor und nach Kochsalzinfusion), dessen Evidenzbasis jedoch als begrenzt gilt. Nun wurde eine Studie zu seiner diagnostischen Aussagekraft veröffentlicht.
Bei 156 Personen mit erhöhtem ARR wurde ein SSST durchgeführt. Als Referenzstandard zur Diagnosestellung eines PA galt das klinische (Blutdrucksenkung, Reduktion der Antihypertensiva-Dosis) und biochemische Ansprechen (Normalisierung der Laborparameter) auf eine zielgerichtete Therapie. Die Aldosteronkonzentrationen nach dem SSST von Personen mit (Median: 329 pmol/L; Interquartilsabstand [IQR]: 227–525 pmol/L) und ohne Therapieansprechen (Median: 255 pmol/L; IQR: 162–346 pmol/L) überlappten sich dabei erheblich. Anhand des SSST konnten die beiden Gruppen nicht zuverlässig voneinander unterschieden werden (Area under the curve [AUC]: 62,1%; 95% KI: 45,1–79,1%).
Zusammenfassend erwies sich die diagnostische Trennschärfe des Kochsalzbelastungstests als sehr gering. Eine Anpassung der Diagnostik bei V.a. primären Hyperaldosteronismus wird bereits intensiv diskutiert. Noch in diesem Jahr wird eine Aktualisierung der Leitlinie der Endocrine Society erwartet [39].
- Studie: Leung et al., Confirmatory Testing for Primary Aldosteronism: A Study of Diagnostic Test Accuracy, Annals of Internal Medicine [40]
Ausgabe 308 - 03. Mai 2025
SGLT2- und RAAS-Inhibitoren: Weniger Hyperkaliämien bei Kombination?
Studientelegramm 308-2025-1/3: RAAS-Inhibitoren sind ein Eckpfeiler der kardio- und nephroprotektiven Therapie bei Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung (CKD). Sie erhöhen jedoch das Risiko einer Hyperkaliämie, weshalb häufig eine Dosisreduktion oder sogar ein Absetzen der Medikamente erforderlich ist. Post-hoc-Analysen großer klinischer Studien deuteten bereits an, dass SGLT2-Inhibitoren dieses Risiko senken könnten (siehe auch: Studientelegramm 212-2022-2/3). Nun wurde die Relevanz dieses Effekts im klinischen Alltag untersucht.
Eine große, retrospektive, bevölkerungsbasierte Kohortenstudie aus Kanada analysierte die Daten von Erwachsenen ≥66 Jahre mit Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz oder CKD (eGFR <45 mL/min und/oder Albuminurie >30 mg/mmol), die zwischen Juli 2015 und Juni 2021 durchgehend RAAS-Inhibitoren eingenommen hatten. Zudem wiesen die eingeschlossenen Personen eine Kaliumkonzentration von 4,5–5,5 mmol/L und somit bereits ein erhöhtes Risiko für klinisch relevante Hyperkaliämien auf. Insg. wurden 20.063 Personen unter neu begonnener SGLT2-Inhibition mit einer gematchten Kontrollgruppe von 19.781 Personen verglichen, die keinen SGLT2-Inhibitor erhielten. Primärer Endpunkt war das Auftreten einer Hyperkaliämie innerhalb eines Jahres (Serumkalium >5,5 mmol/L oder entsprechender Diagnosecode).
Die Gabe eines SGLT2-Inhibitors war dabei mit einem signifikant niedrigeren Risiko für Hyperkaliämien (HR: 0,89; 95% KI: 0,82–0,96; p = 0,002) und Krankenhausaufenthalte aufgrund einer Hyperkaliämie assoziiert (HR: 0,61; 95% KI: 0,52–0,71). Unter SGLT2-Inhibition wurde die Gabe von RAAS-Inhibitoren zudem signifikant seltener abgebrochen als in der Kontrollgruppe (36% vs. 45%; p <0,001).
Diese Ergebnisse stützen die Beobachtungen aus klinischen Studien und legen nahe, dass SGLT2-Inhibitoren das Hyperkaliämierisiko unter RAAS-Inhibition reduzieren und eine Fortsetzung dieser wichtigen Therapie auch in Risikogruppen ermöglichen könnten. Potenzielle Ursachen der gesteigerten Kaliumausscheidung sind u.a. die osmotisch wirksame Glucosurie sowie eine höhere Natriumkonzentration im distalen Tubulus.
- Studie: Wing et al., SGLT2 Inhibitors and Risk for Hyperkalemia Among Individuals Receiving RAAS Inhibitors, JAMA Internal Medicine [41]
ACC-Rückblick IV: Intravenöse Eisengabe bei Herzinsuffizienz
Studientelegramm 308-2025-2/3: Bei Personen mit Herzinsuffizienz besteht in bis zu 50% der Fälle ein Eisenmangel, der mit einer schwereren Symptomatik und höheren Mortalität assoziiert ist. Wir berichteten bereits mehrfach über große Studien zur intravenösen Eisensubstitution in dieser Indikation (u.a. HEART-FID, IRONMAN, AFFIRM-AHF – siehe auch Studientelegramm 269-2023-3/3, Studientelegramm 242-2022-3/3 und Studientelegramm 153-2021-2/3). Bislang ließen sich jedoch keine signifikanten Vorteile dieser Therapie nachweisen. Auf dem Jahreskongress des American College of Cardiology (ACC) wurden nun die Ergebnisse von FAIR-HF2 vorgestellt, der vorerst letzten großen, prospektiven, randomisierten Studie zu diesem Thema.
1.105 Personen mit Herzinsuffizienz (LVEF ≤45%) und Eisenmangel erhielten im Verhältnis 1:1 entweder Eisencarboxymaltose (initial max. 2.000 mg, anschließend alle 4 Monate 500 mg) oder ein Placebo intravenös. Als Eisenmangel wurde (aktuellen Leitlinien entsprechend) entweder ein Serumferritin <100 ng/mL oder ein Wert von 100–299 ng/mL bei gleichzeitiger Transferrinsättigung <20% definiert. Zur Definition des Eisenmangels bei Herzinsuffizienz ist die alleinige Bestimmung der Transferrinsättigung allerdings ggf. besser geeignet [42].
Primäre Endpunkte der Studie
1. Die Zeit bis zur ersten Krankenhauseinweisung aufgrund von Herzinsuffizienz oder bis zum Tod aufgrund von kardiovaskulären Ursachen
2. Die Gesamtanzahl aller Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz
3. Die Ereignisse des 1. Endpunkts bei Teilnehmenden mit einer Transferrinsättigung <20%
Numerisch ließen sich alle 3 Endpunkte durch die Eisengabe zwar positiv beeinflussen (jeweils um ca. 20%), das geforderte statistische Signifikanzniveau wurde jedoch nicht erreicht.
Somit verpasst auch FAIR-HF2 knapp den Nachweis eines eindeutigen Benefits der intravenösen Eisengabe bei Herzinsuffizienz. Metaanalytisch ergibt sich zwar ein insg. positiver Effekt [43], wegen leicht abweichender Studiendesigns und unterschiedlicher Eisenpräparate sind die Ergebnisse allerdings nur eingeschränkt vergleichbar. Für orale Eisenpräparate besteht ebenfalls weiterhin keine Evidenz.
FAIR-HF2 wurde durch das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), die Deutsche Herzstiftung und CSL Vifor finanziert.
- Studie: Anker et al., Intravenous Ferric Carboxymaltose in Heart Failure With Iron Deficiency - The FAIR-HF2 DZHK05 Randomized Clinical Trial, JAMA [44]
Schwache Korrelation von Lipoprotein(a) mit konventionellen Lipidparametern
Studientelegramm 308-2025-3/3: Eine Erhöhung des überwiegend genetisch bedingten Lipoprotein(a)-Spiegels (Lp(a)-Spiegels) gilt als unabhängiger Risikofaktor für atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen (ASCVD) und kalzifizierte Aortenklappenstenosen (AS). Internationale Leitlinien empfehlen daher eine einmalige Bestimmung des Lp(a)-Spiegels [45]. Da Lp(a) strukturell dem Low Density Lipoprotein (LDL) ähnelt, beeinflusst der Lp(a)-Spiegel auch die LDL-Cholesterin-, Non-HDL-Cholesterin- und Apolipoprotein-B-Spiegel. Ob eine Bestimmung dieser Parameter eine direkte Messung des Lp(a)-Spiegels ersetzen kann, untersuchte nun eine große Registeranalyse anhand der Daten von 70.189 Personen aus der Copenhagen General Population Study und 458.601 Personen aus der UK Biobank.
Demnach ließ sich die Lp(a)-abhängige Erhöhung des ASCVD-Risikos nur zu einem kleinen Teil anhand des LDL-Cholesterin-Spiegels oder anderer konventioneller Lipidparameter ermitteln (6,2–22%). Ähnlich fiel das Ergebnis hinsichtlich des AS-Risikos aus (3,1–9,9%). Die Lp(a)-Spiegel korrelierten darüber hinaus insg. nur geringfügig mit den LDL-Cholesterin-, Non-HDL-Cholesterin- und Apolipoprotein-B-Spiegeln (adjustierter Determinationskoeffizient R2: 5,6–9,4%).
Dies unterstreicht die Empfehlungen zur (mind. einmaligen) direkten Bestimmung des Lp(a)-Spiegels. Ob eine Senkung des Lp(a)-Spiegels das kardiovaskuläre Risiko reduziert, ist allerdings noch unklar und wird aktuell in mehreren großen Studien untersucht.
- Brief Report: Thomas et al., Lipoprotein(a) Cardiovascular Risk Explained by LDL Cholesterol, Non-HDL Cholesterol, ApoB, or hsCRP Is Minimal , Journal of the American College of Cardiology [46]
Ausgabe 307 - 19. April 2025
ACC-Rückblick I: SGLT2-Inhibitoren auch nach TAVI?
Studientelegramm 307-2025-1/3: SGLT2-Inhibitoren haben sich unabhängig von der linksventrikulären Pumpfunktion (LVEF) als Bestandteil der medikamentösen Herzinsuffizienztherapie etabliert. Nach perkutanem Aortenklappenersatz (TAVI) gibt es bislang allerdings kaum Daten, weil Personen mit schweren Herzklappenerkrankungen i.d.R. aus den großen Zulassungsstudien ausgeschlossen wurden. Insb. diese Population hat jedoch ein hohes Risiko für Herzinsuffizienzereignisse.
Diese Lücke wurde nun durch die multizentrische spanische Studie DapaTAVI geschlossen: 1.222 Personen nach TAVI (mittleres Alter ca. 82 Jahre) erhielten unverblindet entweder die medikamentöse Standardtherapie oder zusätzlich 10 mg Dapagliflozin täglich. Vorausgesetzt war ein Herzsuffizienzereignis vor dem Klappenersatz (stationäre Behandlung oder ungeplante intravenöse Diuretikagabe) sowie mind. ein weiterer vorliegender Risikofaktor (eGFR 25–75 mL/min, Diabetes mellitus, LVEF ≤40%). Die hohe mittlere NT-proBNP-Konzentration der Studienpopulation (ca. 6.000 pg/mL) verdeutlicht das Ausmaß der kardialen Volumenbelastung zu Studienbeginn. Unter Dapagliflozin traten 28% (95% KI: 0,55–0,95; p = 0,02) weniger primäre Endpunktereignisse auf (Kompositum aus Gesamtsterblichkeit und Herzinsuffizienzereignis nach einem Jahr) als unter alleiniger Standardtherapie, insb. aufgrund einer deutlichen Reduktion der Herzinsuffizienzereignisse um 37% (95% KI: 0,45–0,88). Die Gesamtsterblichkeit hingegen wurde nicht signifikant beeinflusst. Erwartungsgemäß kam es unter Dapagliflozin häufiger zu Urogenitalinfektionen und Hypotonie.
Diese Ergebnisse zeigen, dass auch ältere Menschen nach TAVI und hohem Risiko für Herzinsuffizienzereignisse von einer SGLT2-Inhibition profitieren. Dies ist insofern nicht überraschend, da die oft jahrelange Druckbelastung des linken Ventrikels durch eine relevante Aortenklappenstenose i.d.R. zunächst zu einer diastolischen Dysfunktion führt und die Wirksamkeit der Substanzklasse bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) bereits nachgewiesen wurde.
DapaTAVI wurde durch die partizipierenden Prüferinnen und Prüfer initiiert und aus öffentlichen Mitteln finanziert.
- Studie: Raposeiras‑Roubin et al., Dapagliflozin in Patients Undergoing Transcatheter Aortic-Valve Implantation, NEJM [47]
ACC-Rückblick II: Another big STRIDE for Semaglutide?
Studientelegramm 307-2025-2/3: Protektive kardiovaskuläre Effekte sind für das GLP1-Analogon Semaglutid inzwischen sowohl für Personen mit Diabetes mellitus (bspw. durch die SUSTAIN-6-Studie [48]) als auch für Menschen mit Adipositas (bspw. durch die SELECT-Studie, siehe auch: Studientelegramm 273-2023-2/3) belegt. In der nun veröffentlichten internationalen randomisierten, placebokontrollierten und doppelblinden STRIDE-Studie wurde der Effekt von Semaglutid (1 mg wöchentlich s.c.) bei 792 Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 und einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) im Stadium IIa nach Fontaine untersucht. Primärer Endpunkt war das Verhältnis der max. Gehstrecke nach 52-wöchiger Therapie zum Ausgangswert.
Unter Semaglutid zeigte sich ein um 13 Prozentpunkte höherer Anstieg der max. Gehstrecke im Vergleich zu Placebo (1,21 vs. 1,08; kalkulierte Differenz 1,13; 95% KI: 1,06–1,21; p = 0,0004) mit einer absoluten Erhöhung um 26,4 m im Median. Damit verbesserte die Semaglutidgabe die Belastbarkeit der Teilnehmenden in einem klinisch relevanten Maß. Auch sekundäre Endpunkte wie der Knöchel-Arm-Index (ABI), die schmerzfreie Gehstrecke und die Lebensqualität gemäß VascuQoL-6-Fragebogen [49] konnten verbessert werden. Erwartungsgemäß war darüber hinaus unter Semaglutid eine stärkere Gewichtsabnahme als unter Placebo zu beobachten (-4,1 kg).
Bemerkenswert erscheint die post-hoc erhobene Verbesserung des explorativen kombinierten Endpunkts aus einer Rescue-Therapie (medikamentös oder durch Revaskularisierung) und der Gesamtmortalität unter Semaglutid. Aufgrund der insg. geringen Ereignisraten sollten diese Ergebnisse allerdings zurückhaltend interpretiert werden.
Die Ergebnisse unterstreichen die wichtige Rolle von GLP1-Analoga [50] in der Therapie von Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 und kardiovaskulären Erkrankungen.
STRIDE wurde von Novo Nordisk finanziert.
- Studie: Bonaca et al., Semaglutide and walking capacity in people with symptomatic peripheral artery disease and type 2 diabetes (STRIDE): a phase 3b, double-blind, randomised, placebo-controlled trial, The Lancet [51]
ACC-Rückblick III: Flüssigkeitsrestriktion bei Herzinsuffizienz
Studientelegramm 307-2025-3/3: Die Einschränkung der täglichen Trinkmenge gehört zu den allgemeinen Therapieempfehlungen bei chronischer Herzinsuffizienz unter der Annahme, dass hierdurch eine retentionsbedingte Stauung verhindert werden kann. Die Datenlage zur Wirksamkeit dieser Maßnahme ist jedoch limitiert, ein eindeutiger Benefit hinsichtlich Krankenhauseinweisungen oder Mortalität wurde bislang nicht nachgewiesen. Andererseits gibt es Hinweise, dass eine Trinkmengenbegrenzung die Lebensqualität der betroffenen Personen nachteilig einschränkt. Um diese Evidenzlücke zu füllen, wurde die niederländische FRESH-UP-Studie initiiert.
In dieser multizentrischen, randomisierten, unverblindeten Studie wurden 504 Personen mit chronischer, nicht-dekompensierter Herzinsuffizienz (ca. 87% NYHA-Stadium II, ca. 13% NYHA-Stadium III) in 2 Gruppen aufgeteilt: ohne Trinkmengenbeschränkung (n = 254) oder mit Trinkmengenbeschränkung ≤1,5 L/d (n = 250). Bei rund 50% der Teilnehmenden bestand eine reduzierte Ejektionsfraktion (LVEF im Mittel 40%), das Ausgangs-NT-proBNP lag durchschnittlich bei 450 pg/mL. Zusätzlich zu einer leitliniengerechten medikamentösen Basistherapie erhielt etwa die Hälfte der Personen Schleifendiuretika.
Nach 3 Monaten zeigte sich im Gesamtscore des Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ-OSS [52]) für beide Gruppen kein signifikanter Unterschied der Lebensqualität (primärer Endpunkt; mittlere adjustierte Differenz: 2,17; 95% KI: -0,06 bis +4,39; p = 0,06). Auch hinsichtlich der sekundären Sicherheitsendpunkte waren beide Gruppen vergleichbar (u.a. Verlauf des NT-proBNP; Kompositum aus Tod, Krankenhauseinweisungen und intravenöser Schleifendiuretikagabe). Das Durstgefühl („thirst distress“) war allerdings in der Gruppe ohne Trinkmengenbeschränkung signifikant geringer.
Diese Ergebnisse stellen allgemeine Empfehlungen zur Einschränkung der Trinkmenge bei Personen mit stabiler, chronischer Herzinsuffizienz infrage. Zur Untermauerung sind jedoch weitere, größere Studien notwendig. Die Datenlage für fortgeschrittenere Herzinsuffizienzstadien oder bei Dekompensationen bleibt zudem weiterhin unklar.
FRESH-UP wurde aus öffentlichen Mitteln in den Niederlanden gefördert.
- Studie: Herrmann et al., Liberal fluid intake versus fluid restriction in chronic heart failure: a randomized clinical trial, Nature Medicine [53]
Q1 2025
- Studientelegramm 306-2025
- GLP1-Analoga: Augen auf bei nierentransplantierten Personen mit Diabetes mellitus
- Labortest als Prädiktor der postpartalen Depression?
- Hydrochlorothiazid: NOSTONE and no bone
- Nachlese: Prävalenz des Post-COVID-Syndroms
- Studientelegramm 305-2025
- Post-COVID-Syndrom: Kein Benefit durch Plasmapherese
- Stimulierende Ergebnisse? Therapie der ADHS im Erwachsenenalter
- There and back again: Prävention von Atemwegsinfekten durch Vitamin D
- Studientelegramm 304-2025
- Obinutuzumab: Neue REGENCY bei Lupusnephritis?
- Tirzepatid: Kardialer Schlankmacher?
- Yay or Nay? Nephrektomie bei ADPKD
- Studientelegramm 303-2025
- Lipoprotein (a): Nicht in Stein gemeißelt
- Licht und Schatten: Vitamin D bei CKD
- Podozytopathien: No more poking around?
- Studientelegramm 302-2025
- Unter der Lupe: Antivirale Therapie bei Influenza
- Anti-Nephrin-Antikörper: Schuldig im Sinne der Anklage
- Ausblick: ACC-Jahreskongress 2025
- Studientelegramm 301-2025
- Let’s start the year with PURPOSE!
- Rückblick 2024 – unsere Studien des Jahres
- SWEETSTONE: Sweet Idea!
Ausgabe 306 - 22. März 2025
GLP1-Analoga: Augen auf bei nierentransplantierten Personen mit Diabetes mellitus
Studientelegramm 306-2025-1/4: Zur optimalen medikamentösen Behandlung von nierentransplantierten Personen mit Diabetes mellitus fehlt es bislang an Daten, da diese Personengruppe von klinischen Studien zu neuen Wirksubstanzen häufig ausgeschlossen ist. Die Wirksamkeit und Sicherheit des SGLT2-Inhibitors Dapagliflozin wird aktuell in der multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) „Renal Lifecycle“ bei Menschen mit Diabetes mellitus und fortgeschrittener Nierenerkrankung untersucht (eGFR ≤25 mL/min/1,73 m2, Dialysepflichtigkeit oder nach Nierentransplantation) [54]. Dagegen fehlen bisher RCTs zu GLP1-Analoga bei nierentransplantierten Personen mit Diabetes mellitus, obwohl die positiven kardiovaskulären und renalen Effekte dieser Wirkstoffgruppe bei Diabetes mellitus im Allgemeinen gut untersucht sind.
In einer retrospektiven US-amerikanischen Kohortenanalyse wurden nun Registerdaten von 18.016 nierentransplantierten Personen mit Diabetes mellitus ausgewertet. 1.969 Personen (10,9%) erhielten nach der Transplantation erstmals ein GLP1-Analogon (vorwiegend Dulaglutid) mit einer medianen Anwendungsdauer von 254 Tagen. Diese Personengruppe war durchschnittlich u.a. etwas jünger, häufiger adipös und hatte häufiger eine Lebendspende erhalten als die Vergleichsgruppe ohne Anwendung eines GLP1-Analogons.
Ein Transplantatversagen trat im 5-jährigen Beobachtungszeitraum bei 7,5% der GLP1-Analoga-Behandelten vs. 12,2% der Vergleichsgruppe auf (adjustierte Hazard Ratio [aHR]: 0,55; 95% KI: 0,40–0,76; p = 0,0003). Auch die Mortalität war unter GLP1-Analoga signifikant reduziert (13,5% vs. 19,9%; aHR: 0,76; 95% KI: 0,62–0,93; p = 0,007). Allerdings ging die Anwendung mit einem erhöhten Risiko für eine neu auftretende diabetische Retinopathie einher (aHR: 1,49; 95% KI: 1,11–2,00; p = 0,008). Die übrigen Sicherheitsendpunkte unterschieden sich dagegen nicht signifikant.
Die Autorinnen und Autoren raten vor einer GLP1-Analoga-Anwendung zu einer Nutzen-Risiko-Abwägung unter Berücksichtigung des erhöhten Retinopathie-Risikos. Außerdem sollten während der Therapie ophthalmologische Kontrollen erfolgen. Um die Ergebnisse zu verifizieren, sind RCTs, insb. zu neueren GLP1-Analogon, bei nierentransplantierten Personen mit Diabetes mellitus wünschenswert.
- Studie: Orandi et al., GLP-1 receptor agonists in kidney transplant recipients with pre-existing diabetes: a retrospective cohort study, The Lancet Diabetes & Endocrinology [55]
Labortest als Prädiktor der postpartalen Depression?
Studientelegramm 306-2025-2/4: In keiner anderen Lebensphase einer Frau ist das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken, so groß wie im Wochenbett. Die häufigste Komplikation ist die postpartale Depression (PPD), die ca. 10–15% aller Mütter betrifft. Sie wird oftmals erst spät diagnostiziert (teils gar nicht, hohe Dunkelziffer!) und geht mit erheblichen Risiken für Mutter und Kind einher (u.a. Bindungsstörungen, Suizidalität).
In den letzten Jahren rückten neuroaktive Steroide (NAS) wie Isoallopregnanolon und Pregnanolon (Stoffwechselprodukte von Progesteron) zunehmend in den Fokus der Forschung. NAS beeinflussen insb. das GABAerge System (entweder inhibitorisch oder verstärkend) und darüber indirekt die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, wodurch ihre Bedeutung in der Stressregulation deutlich wird. In den USA sind mit Brexanolon und Zuranolon bereits 2 GABAA-Rezeptor-modulierende NAS-Analoga zur Behandlung der PPD zugelassen.
Eine aktuelle Studie untersuchte nun 136 Frauen während und nach ihrer Schwangerschaft, von denen 33 nach der Geburt eine PPD entwickelten (definiert als ≥13 Punkte auf der Edinburgh Postnatal Depression Scale). NAS-Spiegel wurden an insg. bis zu 8 Messzeitpunkten erfasst (1× pro Trimester und bis zu 9 Monate postpartal).
Die Ergebnisse zeigen, dass eine Erhöhung des Isoallopregnanolon/Pregnanolon-Verhältnisses im dritten Trimester mit einem erhöhten PPD-Risiko assoziiert ist (Odds Ratio [OR]: 1,64; 95% KI: 1,13–2,37; FDR-adjustiertes [56] = 0,038). Auch erhöhte Progesteronwerte in der Spätschwangerschaft waren mit einem höheren Erkrankungsrisiko assoziiert (OR: 4,00; 95% KI: 1,54–10,37; FDR-adjustiertes p = 0,035). Im Gegensatz dazu war eine Erhöhung des Pregnanolon/Progesteron-Verhältnisses im dritten Trimester mit einem verringerten PPD-Risiko verbunden (OR: 0,64; 95% KI: 0,47–0,88; FDR-adjustiertes p = 0,036).
Als Erklärung hierfür kommt eine veränderte Aktivität der Enzyme 3α- und 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (HSD) infrage, die am Progesteronstoffwechsel beteiligt sind. Zukünftige Studien sollten diese Mechanismen weiter untersuchen und ihre potenzielle Bedeutung für die Prävention und Behandlung der PPD genauer analysieren.
- Studie: Osborne et al., Neuroactive steroid biosynthesis during pregnancy predicts future postpartum depression: a role for the 3α and/or 3β-HSD neurosteroidogenic enzymes?, Neuropsychopharmacology [57]
Hydrochlorothiazid: NOSTONE and no bone
Studientelegramm 306-2025-3/4: Nephrolithiasis geht sehr oft mit einer verminderten Knochendichte und einem signifikant erhöhten Frakturrisiko einher, insb. bei calciumhaltigen Nierensteinen und idiopathischer Hyperkalzurie. Der zugrundeliegende Pathomechanismus ist bislang noch nicht vollständig geklärt. In der NOSTONE-Studie hatte Hydrochlorothiazid (HCT) gegenüber Placebo keinen Vorteil zur Rezidivprophylaxe calciumhaltiger Nierensteine gezeigt (siehe auch: Studientelegramm 258-2023-1/3 und [58]). In einer kürzlich publizierten Post-hoc-Analyse der Studie wurde nun untersucht, ob HCT ggf. die Knochendichte positiv beeinflussen kann (über eine verminderte Kalzurie sowie Stimulation der Osteoblastendifferenzierung und Knochenmineralisation).
Anhand der zu Studienbeginn und -ende angefertigten CTs wurde die Knochendichte der Wirbelkörper Th12–L3 aller Teilnehmenden (n = 416) gemessen. Über den mittleren Nachbeobachtungszeitraum von ca. 3 Jahren unterschieden sich die Ergebnisse nicht signifikant: Unabhängig von der eingenommenen HCT-Dosis (12,5–50 mg/d p.o.) nahm die Knochendichte ähnlich stark ab wie unter Placebo.
Bei der Bewertung dieser Daten sollte u.a. beachtet werden, dass die Knochendichte nur im Bereich der thorakolumbalen Wirbelkörper und zudem nicht osteodensitometrisch untersucht wurde. Außerdem waren wichtige Risikogruppen für Osteoporose (insb. Frauen und ältere Menschen) unterrepräsentiert.
Somit liefert NOSTONE auch keine Evidenz für eine durch HCT positiv beeinflusste Knochendichte. Bedacht werden sollte zudem das unter HCT erhöhte Risiko für nicht-melanozytäre Hauttumoren (NMSC).
- Post-hoc-Analyse: Christe et al., Hydrochlorothiazide and Bone Mineral Density in Patients with Kidney Stones: A Post-Hoc Analysis of the NOSTONE Trial, Clinical Journal of the American Society of Nephrology [59]
Nachlese: Prävalenz des Post-COVID-Syndroms
Studientelegramm 306-2025-4/4: In der letzten Ausgabe des Studien-Telegramms gaben wir an, dass es nach mind. 5% der COVID-19-Fälle zu einem Post-COVID-Syndrom komme. Die genannte Prävalenz stammt aus der vorgestellten Studie [60], dürfte jedoch die tatsächliche Häufigkeit überschätzen, zumal sich im zeitlichen Verlauf der Pandemie insg. eine rückläufige Prävalenz andeutet (möglicherweise aufgrund von zunehmender Immunität und neuen Virusvarianten).
Die Prävalenz von Long-COVID ist insb. aufgrund methodischer Herausforderungen insg. nur schwer einzuschätzen. Repräsentative kontrollierte Studien mit einem ausreichend langen Follow-up-Zeitraum werden u.a. durch die zunehmende Bevölkerungsimmunität und Impfungen erschwert. Bereits abgeschlossene Studien sind häufig nur eingeschränkt vergleichbar und aussagekräftig (insb. aufgrund sehr heterogener Ergebnisse, unterschiedlicher Krankheitsdefinitionen sowie weiterer methodischer Unterschiede und Schwächen) [61]. Kohortenstudien liefern tendenziell robustere Schätzungen, subjektive Angaben könnten hingegen zu einer Verzerrung beitragen. Das Robert Koch-Institut bietet eine umfassende Aufarbeitung der Daten an [62].
Ausgabe 305 - 08. März 2025
Post-COVID-Syndrom: Kein Benefit durch Plasmapherese
Studientelegramm 305-2025-1/3: Nach einer akuten Infektion mit SARS-CoV-2 kommt es in mind. 5% der Fälle zu einem Post-COVID-Syndrom (Post-COVID-Condition, PCC) mit heterogener Symptomatik sowie teilweise sehr hohem Leidensdruck und Einschränkung der Lebensqualität [63]. Eine effektive Therapie existiert bislang nicht. Als möglicher Behandlungsansatz wurden u.a. extrakorporale Verfahren diskutiert (Plasmapherese oder Lipidapherese), unter der Annahme, dass durch die Elimination proinflammatorischer Substanzen eine Symptomverbesserung erreicht werden kann. Wirksamkeitsnachweise durch klinische Studien existieren hierfür bisher jedoch nicht.
Nun wurde erstmals in einer kleinen randomisierten, doppelt verblindeten und placebokontrollierten Phase-II-Studie die Effektivität der Plasmapherese bei PCC untersucht. Die 50 Teilnehmenden erhielten 1:1-randomisiert entweder eine Plasmapherese oder eine Schein-Plasmapherese mit isotoner Kochsalzlösung (jeweils 6×) und wurden anschließend über 3 Monate untersucht. Primärer Endpunkt war die Sicherheit der Behandlung, als sekundäre Endpunkte wurden u.a. die Besserung der Beschwerden und der Verlauf laborchemischer Parameter definiert.
Die Ergebnisse der Studie fielen ernüchternd aus: Zwar erwies sich die Plasmapherese erwartungsgemäß insg. als sicheres Verfahren, jedoch zeigten sich hinsichtlich der untersuchten klinischen oder laborchemischen Parameter keinerlei Vorteile gegenüber der Scheinprozedur. Bei der Interpretation der Ergebnisse sind u.a. die geringe Studiengröße und die monozentrische Durchführung zu beachten. Insg. wird allerdings deutlich, dass die Effektivität potenziell vorteilhafter Therapieansätze auch bei neuen Krankheitsbildern grundsätzlich erst mit den etablierten Methoden evidenzbasierter Medizin überprüft werden muss.
- Studie: España-Cueto et al., Plasma exchange therapy for the post COVID-19 condition: a phase II, double-blind, placebo-controlled, randomized trial, Nature Communications [60]
Stimulierende Ergebnisse? Therapie der ADHS im Erwachsenenalter
Studientelegramm 305-2025-2/3: Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) manifestiert sich im Kindes- und Jugendalter und persistiert häufig bis ins Erwachsenenalter. In der erwachsenen Bevölkerung liegt die Prävalenz bei ca. 2–3%. Während die meisten Kinder auf eine Pharmakotherapie ansprechen (ca. 70%), ist die Response-Rate bei Erwachsenen deutlich breiter gestreut (ca. 25–75%). Gleichzeitig ist eine Pharmakotherapie bei Erwachsenen bereits bei leichter Symptomausprägung empfohlen. Aufgrund ihrer sympathomimetischen Wirkung können die Substanzen jedoch u.a. zu kardiovaskulären Nebenwirkungen führen. Die Anzahl an randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs), die insb. nicht-medikamentöse therapeutische Interventionen für ADHS im Erwachsenenalter untersuchen, ist in den letzten Jahren gestiegen. Eine aktuelle Netzwerk-Metaanalyse [64] verglich nun die Wirksamkeit und Akzeptanz von medikamentösen und nicht-medikamentösen Interventionen.
In die Analyse wurden 113 RCTs mit 14.887 Teilnehmenden eingeschlossen. Primäre Endpunkte waren die Therapieakzeptanz (Anteil der Behandlungsabbrüche) sowie die kurzfristige Veränderung der ADHS-Symptomatik im Selbst-Rating und im ärztlichen Rating nach 12 Wochen.
Eine signifikante Verbesserung der ADHS-Symptomatik in Selbst-Rating und ärztlichem Rating (verglichen mit Placebo) zeigte sich in dieser kurzen Zeitspanne nur bei Stimulanzien wie Methylphenidat und Lisdexamfetamin (Selbst-Rating: standardisierte mittlere Differenz [SMD] -0,39; ärztliches Rating: SMD -0,61) sowie bei Atomoxetin (Selbst-Rating: SMD -0,38; ärztliches Rating: -0,51), wobei Atomoxetin schlechter verträglich war. Hinsichtlich nicht-medikamentöser Interventionen divergierten z.T. die Ergebnisse von Selbst-Rating und ärztlichem Rating: Einige Interventionen (bspw. kognitive Verhaltenstherapie) ergaben nur im ärztlichen Rating eine signifikante Symptomverbesserung nach 12 Wochen.
Die Autorinnen und Autoren betonen die Relevanz von sowohl Selbst-Rating als auch ärztlichem Rating, da beide (unterschiedliche) Verzerrungsrisiken bergen. Insg. mangelt es jedoch an langfristigen Daten zu Therapieeffekten. Zukünftige Studien sollten u.a. multimodale Ansätze untersuchen und Effekte auf die Lebensqualität (mittels längerer Untersuchungsdauer) genauer analysieren.
- Systematisches Review und Netzwerk-Metaanalyse: Ostinelli et al., Comparative efficacy and acceptability of pharmacological, psychological, and neurostimulatory interventions for ADHD in adults: a systematic review and component network meta-analysis, The Lancet Psychiatry [65]
There and back again: Prävention von Atemwegsinfekten durch Vitamin D
Studientelegramm 305-2025-3/3: Wir diskutierten kürzlich anhand der aktuellen Praxisleitlinie der Endocrine Society die Evidenzlage für eine prophylaktische Vitamin-D-Supplementierung (siehe: Studientelegramm 288-2024-1/3). Ein systematisches Review mit Metaanalyse hatte 2021 einen signifikanten präventiven Effekt gegenüber akuten Atemwegsinfektionen gezeigt (Odds Ratio [OR]: 0,92; 95% KI: 0,86–0,99) [66]. Da seitdem einige große randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs) erschienen sind, untersuchte das Forschungsteam nun in einem Update die aktuelle Evidenzlage. Dafür wurden aggregierte Daten aus insg. 46 RCTs mit 64.086 Teilnehmenden im Alter von 0–100 Jahren ausgewertet.
Primärer Endpunkt der Analyse war der Anteil der Personen, bei denen im Studienzeitraum mind. eine Atemwegsinfektion auftrat. Unabhängig vom initialen Vitamin-D-Spiegel zeigte sich kein signifikanter Effekt einer Vitamin-D-Supplementierung im Vergleich zu einer Placebogabe (OR: 0,94; 95% KI: 0,88–1,00; n = 61.589) oder einer höher dosierten Vitamin-D-Anwendung im Vergleich zu einer niedrig-dosierten (OR: 0,87; 95% KI: 0,73–1,04; n = 3.047). Stratifizierte Analysen deuteten wie im vorangegangenen Review einen Benefit für die Altersgruppe der 1- bis 15-Jährigen an sowie bei täglicher Vitamin-D-Gabe, Dosisäquivalenten von 400–1.000 IE/d und einer Anwendung über max. 12 Monate. In einer multivariaten Meta-Regressionsanalyse konnte dagegen kein Einfluss dieser Faktoren nachgewiesen werden.
Die Ergebnisse stellen somit den Nutzen einer prophylaktischen Vitamin-D-Supplementierung zur Verhinderung von Atemwegsinfektionen infrage und untermauern einen zurückhaltenden Einsatz insb. in der gesunden (erwachsenen) Allgemeinbevölkerung. Bis zum Vorliegen weiterer Evidenz empfehlen wir die Lektüre unserer Studien-Telegramme zum Thema (siehe: Studientelegramme zu Vitaminen).
- Systematisches Review und Metaanalyse: Jolliffe et al., Vitamin D supplementation to prevent acute respiratory infections: systematic review and meta-analysis of stratified aggregate data, The Lancet – Diabetes & Endocrinology [67]
Ausgabe 304 - 22. Februar 2025
Obinutuzumab: Neue REGENCY bei Lupusnephritis?
Studientelegramm 304-2025-1/3: Die positiven Ergebnisse der Phase-III-Studie REGENCY, in der die Effektivität des Anti-CD20-Antikörpers Obinutuzumab bei der Behandlung der Lupusnephritis untersucht wurde, hatten wir bereits im Studientelegramm 295-2024-2/3 angekündigt. Zuvor war in der Phase-II-Studie NOBILITY ein signifikanter Vorteil dieses Wirkstoffs im Vergleich zur immunsuppressiven Standardtherapie gezeigt worden. Die Ergebnisse von REGENCY wurden nun publiziert.
In diese multizentrische, randomisiert-kontrollierte und doppelt verblindete Studie wurden 271 Personen mit proliferativer Lupusnephritis eingeschlossen. Die Teilnehmenden erhielten zusätzlich zur Standardtherapie (Mycophenolat-Mofetil und Prednison) entweder Obinutuzumab oder ein Placebo. Primärer Endpunkt war die komplette renale Remission nach 76 Wochen, definiert als Protein-Kreatinin-Ratio <0,5 g/g im 24-h-Sammelurin, eGFR ≥85% des Ausgangswertes und fehlende interkurrente Ereignisse (Rescue-Therapie, Therapieversagen, Tod oder früher Studienabbruch).
Die komplette renale Remission wurde signifikant häufiger in der Obinutuzumab-Gruppe im Vergleich zur Placebogruppe erreicht (46,4 vs. 33,1%; adjustierte Differenz: 13,4%; 95% KI: 2,0–24,8%; p = 0,02). Vergleichbare Vorteile zeigten sich auch hinsichtlich der sekundären Endpunkte Verminderung der Proteinurie und komplette renale Remission mit Reduktion der Prednison-Dosis. Erwartungsgemäß kam es in der Interventionsgruppe zu mehr Infektionen (schwere Infektionen bei 15,4% vs. 6,8% in der Placebogruppe) und Neutropenien (12,5% vs. 3,8%).
Obinutuzumab könnte somit in Zukunft eine neue, hoffnungsvolle Option in der Therapie der Lupusnephritis darstellen. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um diese Ergebnisse zu untermauern.
REGENCY wurde von F. Hoffmann-La Roche finanziert.
- Studie: Furie et al., Efficacy and Safety of Obinutuzumab in Active Lupus Nephritis, NEJM. [68]
Tirzepatid: Kardialer Schlankmacher?
Studientelegramm 304-2025-2/3: Adipositas ist ein wichtiger Risikofaktor für Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF). Sie wird bei HFpEF als eigenständiger Phänotyp angesehen, mit einem vergleichsweise stärkeren konzentrischen kardialen Remodeling und mehr epikardialem Fettgewebe. Die SUMMIT-Studie konnte als erste randomisiert-kontrollierte Studie mit objektiv messbaren klinischen Endpunkten einen prognostischen Benefit für die Gabe des dualen GIP/GLP1-Rezeptor-Agonisten Tirzepatid bei HFpEF und Adipositas nachweisen (siehe: Studientelegramm 299-2024-1/3).
In einer Subgruppenanalyse der Studie wurden die Therapieeffekte auf die kardiale Struktur und Funktion anhand der MRT-Befunde von 106 Personen untersucht. Unter der Therapie mit Tirzepatid (bis zu 15 mg s.c. einmal wöchentlich; n = 50) reduzierte sich verglichen mit einem Placebo (n = 56) nach 52 Wochen die linksventrikuläre Masse um 11 g (95% KI: 4–19 g; p = 0,004) und das epikardiale Fettgewebe um 45 mL (95% KI: 22–69 mL; p <0,001). Die Reduktion der linksventrikulären Masse korrelierte dabei mit der Veränderung des Körpergewichts sowie tendenziell mit der des Taillenumfangs und des Blutdrucks.
Es ist somit anzunehmen, dass der kardiale Benefit von Tirzepatid u.a. durch diese direkten Effekte auf das Herz vermittelt wird. Eine Diskussion der Ergebnisse von SUMMIT findet sich auch bei MARKUS@HOMe.
SUMMIT wurde durch Eli Lilly and Company finanziert.
- Studie: Kramer et al., Tirzepatide Reduces LV Mass and Paracardiac Adipose Tissue in Obesity-Related Heart Failure: SUMMIT CMR Substudy, Journal of the American College of Cardiology. [69]
Yay or Nay? Nephrektomie bei ADPKD
Studientelegramm 304-2025-3/3: Die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ist die häufigste hereditäre Nierenerkrankung. In beiden Nieren bilden sich dabei zahlreiche Zysten, deren Wachstum das Nierengewebe komprimiert und die Nierenfunktion beeinträchtigt. Viele Betroffene benötigen im Krankheitsverlauf eine Nierenersatztherapie. Die Nierentransplantation ist eine potenziell kurative Therapieoption. Häufig werden vorher, gleichzeitig oder anschließend eine oder beide erkrankten Nieren entfernt, insb. um Komplikationen der ADPKD zu verhindern oder Platz für das Transplantat zu schaffen. Für die Auswahl geeigneter Personen, den günstigsten Zeitpunkt einer Nephrektomie und die optimale Operationstechnik gibt es allerdings keine evidenzbasierten Empfehlungen.
Die European Renal Association (ERA) veröffentlichte nun nach umfassender systematischer Literaturrecherche Konsensusempfehlungen zu diesem Thema. Geeignete Personen sollten im Rahmen einer partizipativen Entscheidungsfindung nach multidisziplinärer Abstimmung ausgewählt werden. Eine Nephrektomie vor der Transplantation sollte nicht routinemäßig erfolgen, sondern Komplikationen der ADPKD (insb. rezidivierenden Zysteninfektionen oder -blutungen) und anatomischen Indikationen vorbehalten bleiben. Aufgrund des Komplikationsrisikos sollte nach Möglichkeit eher eine uni- als eine bilaterale Nephrektomie angestrebt werden. Neben einer operativen (bevorzugt laparoskopischen) Nephrektomie kann auch eine Nierenarterienembolisation erwogen werden. Insg. sollte die Indikation zur Nephrektomie stets individuell und nicht zu liberal gestellt werden. Die verbleibende Funktion der erkrankten Nieren sollte bestmöglich genutzt werden. Das Volumen polyzystischer Nieren nimmt zudem i.d.R. ab, sobald die chronische Nierenerkrankung das Stadium G5 erreicht hat.
- Consensus Statement: Geertsema et al., Nephrectomy in Autosomal Dominant Polycystic Kidney Disease: A consensus statement of the ERA Genes & Kidney Working Group, Nephrology Dialysis Transplantation. [70]
Ausgabe 303 - 08. Februar 2025
Lipoprotein (a): Nicht in Stein gemeißelt
Studientelegramm 303-2025-1/3: Ein erhöhtes Lipoprotein (a) (Lp(a) ≥50 mg/dL oder ≥125 nmol/L) gilt als wichtiger Risikofaktor für die Entstehung und Progression atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankungen. Die individuellen Lp(a)-Spiegel sind überwiegend genetisch determiniert, weshalb zur Risikostratifizierung derzeit eine einmalige Bestimmung im Leben als ausreichend angesehen wird. Bislang gab es jedoch nur wenige Daten zur intraindividuellen Variabilität der Lp(a)-Spiegel.
Nun wurden Daten aus der Placebogruppe der OCEAN(a)-DOSE-Studie (siehe auch: Studientelegramm 243-2022-1/3) analysiert, um die individuellen Spiegelschwankungen im zeitlichen Verlauf zu untersuchen. Bei 53 Personen mit Hyperlipoproteinämie (a) >150 nmol/L wurden über einen medianen Follow-up-Zeitraum von 1,7 Jahren im Median 16-mal die Lp(a)-Werte gemessen. Verglichen mit dem mittleren individuellen Lp(a)-Spiegel zeigte sich dabei eine mediane Abweichung von 16,4 nmol/L (1.–3. Quartil: 7,3–30,1 nmol/L; maximale Abweichung: 135 nmol/L). Bei 53% der Teilnehmenden ließen sich bei ≥1 Lp(a)-Messung Schwankungen von ≥50 nmol/L beobachten. Die intraindividuelle Variabilität über alle Messungen hinweg betrug 10%.
Diese Ergebnisse stellen die aktuellen Empfehlungen zur Lp(a)-Messung infrage, insb. wenn davon Therapieentscheidungen abhängen. Beachtet werden sollte allerdings, dass die Stichprobe relativ klein war. Zudem wurden nur Personen mit Lp(a)-Spiegeln >150 nmol/L untersucht. Im Alltag müssen aber überwiegend niedrigere Werte beurteilt werden. Der Nutzen wiederholter Messungen in diesem Fall bleibt unklar.
- Brief Report: Gaba et al., Intraindividual Variability in Serial Lipoprotein(a) Concentrations Among Placebo-Treated Patients in the OCEAN(a)-DOSE Trial, Journal of the American College of Cardiology. [71]
Licht und Schatten: Vitamin D bei CKD
Studientelegramm 303-2025-2/3: Ein Vitamin-D-Mangel wird bei chronischer Niereninsuffizienz (CKD) häufig beobachtet, die klinische Bedeutung dieses Befundes ist jedoch umstritten. Beobachtungsstudien suggerieren zwar negative gesundheitliche Folgen (bspw. ein erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Ereignisse und eine erhöhte Mortalität), entsprechende Vorteile einer Vitamin-D-Substitution konnten allerdings bisher nicht nachgewiesen werden (mit Ausnahme positiver Effekte bzgl. eines sekundären Hyperparathyreoidismus und des Frakturrisikos). Dennoch veröffentlichten die European Renal Association und die European Society for Paediatric Nephrology nun ein Konsensuspapier mit konkreten Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des Vitamin-D-Mangels bei CKD im Kindes- und Erwachsenenalter.
Ab KDIGO-Stadium G2 wird darin eine jährliche Kontrolle des Calcidiol-Spiegels empfohlen (idealerweise mittels Tandem-Massenspektrometrie, da bei Immunoassays häufiger falsch-niedrige Ergebnisse auftreten). Bei Calcidiol-Spiegeln ≤75 nmol/L sollte Cholecalciferol substituiert werden. Das Dosisintervall kann dabei individuell festgelegt werden (täglich bis monatlich), die Einzeldosen sollten jedoch 100.000 IE nicht überschreiten. Erwachsene benötigen zunächst 5.000–7.000 IE/d p.o. (Kinder 3.000–7.000 IE/d p.o.) für 3 Monate, anschließend genügen 2.000 IE/d (bei Kindern gewichtsadaptiert 1.000–2.000 IE/d). Bei Calcidiol-Spiegeln >150 nmol/L sollte nicht weiter substituiert werden.
Zu berücksichtigen ist jedoch die schwache Evidenzgrundlage der Empfehlungen und das Risiko einer unnötigen Polypharmakotherapie.
- Consensus Statement: Jørgensen et al., The role of nutritional vitamin D in CKD-MBD in children and adults with CKD, on dialysis and after kidney transplantation – a European consensus statement, Nephrology Dialysis Transplantation. [72]
Podozytopathien: No more poking around?
Studientelegramm 303-2025-3/3: Der Nachweis von Anti-Nephrin-Autoantikörpern bei vielen Personen mit Podozytopathien – insb. mit Minimal Change Disease (MCD) und fokal-segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) – hat das pathophysiologische Verständnis dieser Erkrankungen revolutioniert und neue diagnostische Möglichkeiten aufgezeigt (siehe auch: Studientelegramm 286-2024-2/3). Die Diagnose wird bisher i.d.R. anhand einer Nierenbiopsie gestellt. Allerdings lässt sich dabei die Ätiologie häufig nicht sicher klären, weshalb unspezifische Therapieoptionen gewählt werden (insb. Glucocorticoide oder andere Immunsuppressiva).
Eine italienische Arbeitsgruppe identifizierte anhand von 116 Nierenbiopsien von Personen mit MCD oder FSGS neben Nephrin nun weitere potenzielle Autoantigene (insb. Podocin und Kirrell1). Autoantikörper gegen diese Proteine des podozytären Schlitzdiaphragmas ließen sich bei einer Kohorte von 66 Personen mit idiopathischem nephrotischen Syndrom in 18% (Podocin) bzw. 5% der Fälle (Kirrell1) nachweisen. Der serologische Nachweis gelang im Vergleich zu einem histologischen mit hoher Sensitivität und Spezifität. Darüber hinaus korrelierte der Serumspiegel (bei einer kleinen untersuchten Personengruppe) auch mit der Krankheitsaktivität.
Der Nachweis von Autoantikörpern könnte somit zukünftig eine weniger invasive Diagnostik ermöglichen (Verzicht auf eine initiale Nierenbiopsie) und zudem dabei helfen, Fälle mit autoimmuner Genese zu identifizieren, die von einer immunsuppressiven Therapie profitieren. Bei anderen Formen (bspw. genetische, toxische oder infektiöse Genese) ist eine immunsuppressive Therapie i.d.R. nicht wirksam.
- Research Letter: Raglianti et al., Anti-slit Antibodies against Podocin and Kirrel1 in Pediatric and Adult Podocytopathies, Journal of the American Society of Nephrology. [73]
Ausgabe 302 - 25. Januar 2025
Unter der Lupe: Antivirale Therapie bei Influenza
Studientelegramm 302-2025-1/3: In Deutschland kommt es jährlich bei ca. 5–20% der Bevölkerung zu einer Influenza-Infektion. Die Zahl der Todesfälle schwankt je nach Saison (einige 100 bis zu >25.000 in der Grippesaison 2017/2018, weltweit bis zu 650.000 pro Jahr). Zwar existiert eine WHO-Leitlinie [74] zur (antiviralen) Therapie der Influenza, die Evidenz für die gezielte Pharmakotherapie ist jedoch insg. sehr gering.
Die Frage nach der optimalen antiviralen Therapie untersuchte nun ein großes systematisches Review mit einer Netzwerk-Metaanalyse [75]. Eingeschlossen wurden 73 randomisiert-kontrollierte Studien mit insg. 34.332 Teilnehmenden, die an einer nicht-schwerwiegenden Influenza erkrankt waren. In den Studien wurden direkt antiviral wirkende Medikamente (zumeist Oseltamivir) mit einem Placebo, der Standardtherapie oder miteinander hinsichtlich klinischer Endpunkte verglichen (u.a. Mortalität, Hospitalisierungen, Symptomdauer).
Lediglich für Baloxavir zeigten sich mögliche positive Effekte: Krankenhauseinweisungen wurden bei Hochrisikopersonen numerisch reduziert (Risikodifferenz: -16 pro 1.000; 95% KI: -20 bis +4; verglichen mit -4 pro 1.000 durch Oseltamivir), die Evidenzqualität war hierfür allerdings gering. Zudem verkürzte der Wirkstoff die Zeit bis zur Symptombesserung um ca. 1 Tag (95% KI: -1,41 bis -0,63 Tage). In ca. 10% der Fälle war die Baloxavir-Therapie jedoch mit einer Resistenzentwicklung assoziiert. Alle anderen antiviralen Wirkstoffe zeigten dagegen keine oder allenfalls geringfügige Vorteile, Oseltamivir erhöhte darüber hinaus die Zahl unerwünschter Ereignisse.
Bei der Bewertung der Ergebnisse ist u.a. zu beachten, dass die Ereignisraten für manche Endpunkte sehr niedrig waren und die eingeschlossenen Studien möglicherweise diesbezüglich keine ausreichende statistische Power hatten. Dennoch weist die ernüchternde Bilanz dieses Reviews auf die notwendige Entwicklung neuer, effektiverer Influenza-Therapieoptionen hin. Auch primärpräventive Maßnahmen sollten angesichts der nur mäßigen Impfquote verbessert werden.
- Studie: Gao et al., Antiviral Medications for Treatment of Nonsevere Influenza, JAMA Internal Medicine. [76]
Anti-Nephrin-Antikörper: Schuldig im Sinne der Anklage
Studientelegramm 302-2025-2/3: Wir berichteten bereits darüber, dass Anti-Nephrin-Antikörper mit dem Auftreten von Minimal Change Disease (MCD) und fokal-segmentaler Glomerulosklerose (FSGS) assoziiert sind (siehe auch: Studientelegramm 286-2024-2/3). Dieselbe Studiengruppe veröffentlichte nun eine tierexperimentelle Arbeit, um die Pathogenität humaner Anti-Nephrin-Autoantikörper nachzuweisen.
Hierfür wurden IgG-Antikörper einer 71-jährigen Frau mit nephrotischem Syndrom und mittels Nierenbiopsie nachgewiesener MCD isoliert und auf ein Kaninchen transferiert („Anti-Nephrin-Antikörper-Kaninchen“). Bei der Patientin konnten zuvor Anti-Nephrin-Autoantikörper nachgewiesen werden, deren Titer mit der Krankheitsaktivität korrelierte. Ein weiteres Kaninchen („Kontrollkaninchen“) erhielt IgG-Antikörper einer gesunden Kontrollperson. Nach 5 Tagen ließen sich bei dem Anti-Nephrin-Antikörper-Kaninchen zirkulierende Anti-Nephrin-IgG-Antikörper, humanes IgG an der glomerulären Filtrationsbarriere und eine Verkleinerung der Podozytenfußfortsätze nachweisen. Zudem trat eine progrediente Proteinurie auf. Ein Hinweis auf eine Serumkrankheit ergab sich dabei nicht. Beim Kontrollkaninchen hingegen wurden keine dieser Veränderungen beobachtet.
Diese Ergebnisse untermauern die angenommene Pathogenität von Anti-Nephrin-Antikörpern und stärken die Annahme, dass gezielte Therapieansätze (insb. gegen ursächliche Autoantikörper und autoreaktive B-Zellen) entwickelt werden können.
- Studie: Hengel et al., Passive transfer of patient-derived anti-nephrin autoantibodies causes a podocytopathy with minimal change lesions, The Journal of Clinical Investigation. [77]
Ausblick: ACC-Jahreskongress 2025
Studientelegramm 302-2025-3/3: Kurz nach Beginn des neuen Jahres wirft bereits das erste große kardiologische Highlight seinen Schatten voraus: Vom 29.–31. März findet der 25. Jahreskongress des American College of Cardiology (ACC) in Chicago statt. Auch in diesem Jahr werden wir wieder die wichtigsten Studien im Studien-Telegramm sowie bei MARKUS@HOMe [36] vorstellen und diskutieren. Das wissenschaftliche Kongressprogramm der „Late-Breaker“ wurde kürzlich bekannt gegeben.
Mit Spannung erwartet werden u.a. die Ergebnisse von FAIR-HF2 [78], einer großen Wirksamkeitsstudie zum Einsatz von intravenösem Eisen bei Herzinsuffizienz. Über die Initiierung von API-CAT berichteten wir bereits im Studientelegramm 272-2023-2/3 und bei MARKUS@HOMe [36]. In dieser europäischen Studie wurde die Effektivität und Sicherheit von Apixaban bei Personen mit tumorassoziierter venöser Thromboembolie untersucht.
Schon jetzt freuen wir uns auf einen spannenden Kongress!
Ausgabe 301 - 11. Januar 2025
Let’s start the year with PURPOSE!
Studientelegramm 301-2025-1/3: Trotz einer insg. gesunkenen Inzidenz von HIV-Infektionen infizieren sich weltweit noch immer etwa 1,3 Mio. Menschen jährlich. Steigende Inzidenzraten werden bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), non-binären und Transgender-Personen beobachtet. Zwar ist eine wirksame Präexpositionsprophylaxe (PrEP) mit Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil (F/TDF) etabliert, allerdings erfordert diese eine zuverlässige tägliche Einnahme. Weltweit betrachtet wird die PrEP (insb. von Frauen) weiterhin wenig genutzt und die Adhärenz ist gering. 2 große randomisierte, aktiv kontrollierte, doppelblinde Studien des Vorjahres untersuchten daher die Effektivität einer PrEP mit Lenacapavir bei Cisgender-Frauen, MSM und Gender-diversen Personen. Lenacapavir ist ein langwirksamer Kapsid-Inhibitor, der nur alle 6 Monate subkutan appliziert werden muss.
In PURPOSE 1 wurden 5.338 HIV-negative, sexuell aktive Cisgender-Frauen im Alter von 16–26 Jahren in Südafrika und Uganda eingeschlossen. Die Teilnehmerinnen wurden entweder auf eine der beiden Interventionsgruppen mit Lenacapavir (2× jährlich s.c. plus 2 orale Aufsättigungsdosen) bzw. Emtricitabin/Tenofoviralafenamid (F/TAF, 1× täglich p.o.) oder die Kontrollgruppe mit F/TDF (1× täglich p.o.) randomisiert. Alle Gruppen erhielten zur Verblindung ergänzend ein Placebo.
Insg. kam es zu 55 HIV-Neuinfektionen, davon 39 unter F/TAF und 16 unter F/TDF. Unter Lenacapavir trat hingegen keine HIV-Infektion auf. Daraus ergab sich eine signifikant geringere Inzidenzrate im Vergleich zu F/TDF (0/100 Personenjahre vs. 1,69; Inzidenzratenverhältnis (IRR) 0,00; 95% KI: 0,00–0,10; p <0,001) und zur Screeningpopulation (Basis-Inzidenzrate: 2,41; IRR: 0,00; 95% KI: 0,00–0,04; p <0,001). Unter F/TAF zeigte sich dagegen kein signifikanter Unterschied der HIV-Inzidenzrate (2,02/100 Personenjahre) zur Kontrollgruppe (F/TDF) oder zur Basis-Inzidenzrate in der Screeningpopulation. Die Adhärenz bei oraler PrEP (laborchemisch ermittelt) war insg. gering und die aufgetretenen HIV-Infektionen waren erwartungsgemäß mit einer geringen Adhärenz assoziiert.
In der internationalen Studie PURPOSE 2 wurden 3.265 HIV-negative männliche (Cis-Gender), non-binäre und Transgender-Personen ≥16 Jahre untersucht, die ungeschützten rezeptiven Analverkehr mit Männern hatten. Die Teilnehmenden wurden entweder auf Lenacapavir oder F/TDF randomisiert. Insg. traten 11 HIV-Neuinfektionen auf, davon 2 in der Lenacapavir- und 9 in der Kontrollgruppe. Die Inzidenzrate unter Lenacapavir (0,10/100 Personenjahre) war wie in PURPOSE 1 signifikant geringer als unter F/TDF (Inzidenzrate: 0,93; IRR: 0,11; 95% KI: 0,02–0,51; p = 0,002) sowie im Vergleich zur Screeningpopulation (Basis-Inzidenzrate: 2,37; IRR: 0,04; 95% KI: 0,01–0,18; p <0,001). Bei beiden unter Lenacapavir aufgetretenen HIV-Infektionen wurde eine N74D-Kapsid-Resistenzmutation nachgewiesen, die die Wirksamkeit des Medikaments beeinträchtigen könnte.
Keine der Studien ergab Sicherheitsbedenken bezüglich der Anwendung von Lenacapavir. Aufgrund der positiven Ergebnisse wurden beide Studien vorzeitig beendet. Alle Teilnehmenden erhielten jedoch das Angebot einer weiteren PrEP mit Lenacapavir unter fortgesetztem Monitoring, wodurch u.a. eine mögliche Resistenzentwicklung oder verzögerte Serokonversion unter Lenacapavir untersucht werden soll.
Trotz der eindrucksvollen Ergebnisse stellen insb. die erheblichen Kosten [79] von Lenacapavir (ca. 43.000 $ jährlich in den USA) im Vergleich zu F/TDF (ca. 50 $ jährlich in Südafrika) aktuell noch ein erhebliches Hindernis für eine breite Anwendung dar.
PURPOSE 1 und PURPOSE 2 wurden von Gilead Sciences finanziert.
- Studie 1, PURPOSE 1: Bekker et al., Twice-Yearly Lenacapavir or Daily F/TAF for HIV Prevention in Cisgender Women, NEJM [80]
- Studie 2, PURPOSE 2: Kelley et al., Twice-Yearly Lenacapavir for HIV Prevention in Men and Gender-Diverse Persons, NEJM [81]
Rückblick 2024 – unsere Studien des Jahres
Studientelegramm 301-2025-2/3: Mit einem Panel nationaler Expertinnen und Experten aus Nephrologie und Kardiologie diskutierte das MARKUS@HOMe-Team rund um die Weihnachtsfeiertage die aus unserer Sicht wichtigsten kardiologischen und nephrologischen Studien des Jahres in 3 Online-Vorträgen (Kardiologie/Lipidologie [82], Nephrologie/Hypertensiologie Teil I [83] und Teil II [84]). Daraus wurde in beiden Fachdisziplinen die bedeutendste Studie 2024 ausgewählt: Für die Kardiologie SUMMIT, die den prognostischen Benefit von Tirzepatid bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) aufzeigte (siehe auch: Studientelegramm 299-2024-1/3); für die Nephrologie FLOW, die bei Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 und chronischer Nierenerkrankung mit hohem Progressionsrisiko signifikante Vorteile von Semaglutid nachwies (siehe auch: Studientelegramm 286-2024-1/3). Somit belegten ein dualer GIP/GLP1-Rezeptor-Agonist und ein GLP1-Analogon die ersten Ränge.
Wir laden alle Kolleginnen und Kollegen ein, der Diskussion bei MARKUS@HOMe [36] zu folgen und sich zur Lektüre der Publikationen anregen zu lassen.
- Studie 1, Kardiologische Studie des Jahres 2024: Packer et al., Tirzepatide for Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity, NEJM [85]
- Studie 2, Nephrologische Studie des Jahres 2024: Perkovic et al., Effects of Semaglutide on Chronic Kidney Disease in Patients with Type 2 Diabetes, NEJM [86]
SWEETSTONE: Sweet Idea!
Studientelegramm 301-2025-3/3: Weltweit steigt die Prävalenz von Nierensteinen seit Jahren an; in Deutschland beträgt sie über das gesamte Leben rund 5%. Neben der Akutsymptomatik im Rahmen eines Steinabgangs kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen. Rezidive einer Nephrolithiasis sind häufig (30–80% innerhalb von 10 Jahren), eine wirksame medikamentöse Sekundärprophylaxe ist jedoch bislang nicht etabliert. Wir berichteten diesbezüglich bereits über die negativen Ergebnisse der NOSTONE-Studie mit Hydrochlorothiazid (siehe: Studientelegramm 258-2023-1/3). Da mehrere Studien suggerierten, dass SGLT2-Inhibitoren die Häufigkeit einer Nephrolithiasis verringern könnten, wurde daraufhin die SWEETSTONE-Studie initiiert, in der erstmals prospektiv der sekundärprophylaktische Effekt von Empagliflozin bei Personen mit Nephrolithiasis untersucht wurde.
In dieser monozentrischen randomisierten, placebokontrollierten, doppelt verblindeten Studie erhielten 53 Erwachsene mit calcium- oder harnsäurehaltigen Nierensteinen (ohne Diabetes mellitus) im Cross-over-Design entweder Empagliflozin (25 mg/d) und anschließend ein Placebo oder zunächst ein Placebo und nachfolgend Empagliflozin (jeweils über 14 Tage, unterbrochen von einer Auswaschphase von 2–6 Wochen). Als primärer Endpunkt wurde die relative Übersättigungs-Ratio im 24-h-Sammelurin (Relative Supersaturation Ratio, RSR) für Calciumoxalat (CaOx), Calciumphosphat (CaP) und Harnsäure (UA) definiert. Die Ausscheidungsprodukte CaOx, CaP und UA begünstigen bei Übersättigung im Urin die Steinbildung, weshalb die RSR dieser Produkte ein wichtiger Surrogatmarker für das Risiko eines Nierensteinrezidivs ist. Unter Empagliflozin zeigte sich eine signifikante Reduktion der RSR für CaP um 36% bei Personen mit calciumhaltigen Nierensteinen (95% KI: -48 bis -21%; p <0,001), und für UA um 30% bei Personen mit harnsäurehaltiger Nephrolithiasis (95% KI: -44 bis -12%; p = 0,002). Die RSR der jeweils anderen Ausscheidungsprodukte veränderte sich dagegen nicht signifikant.
Ob sich eine ausschließliche RSR-Reduktion für CaP auch auf das Rezidivrisiko für reine Calciumoxalat-Steine auswirkt, bleibt ungeklärt. Bei der Bewertung der Ergebnisse ist weiterhin zu beachten, dass nur eine kleine Kohorte untersucht wurde und die Therapiedauer sehr kurz war. Dennoch unterstreicht SWEETSTONE die potenzielle Bedeutung von SGLT2-Inhibitoren in der Sekundärprophylaxe der Nephrolithiasis.
- Studie: Anderegg et al., Empagliflozin in nondiabetic individuals with calcium and uric acid kidney stones: a randomized phase 2 trial, Nature Medicine [87]